LEITARTIKEL

The day after tomorrow

Der kürzlich veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarats hätte kaum apokalyptischer ausfallen können - aber nur wenige Investoren haben bisher ernsthafte Konsequenzen daraus gezogen. In aller Kürze: Gegenüber der vorindustriellen Zeit hat sich...

The day after tomorrow

Der kürzlich veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarats hätte kaum apokalyptischer ausfallen können – aber nur wenige Investoren haben bisher ernsthafte Konsequenzen daraus gezogen. In aller Kürze: Gegenüber der vorindustriellen Zeit hat sich die Erde bisher um 1 Grad Celsius erwärmt – mit den in diesem Sommer zu besichtigenden Folgen. Die im Pariser Klimavertrag von 2015 vereinbarte Begrenzung auf “weniger” als 2 Grad reicht nicht aus. Denn jede Erwärmung auf mehr als 1,5 Grad zieht unabsehbare negative Folgen nach sich – mit schrecklichen Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen samt unkalkulierbarer Risiken eines möglichen Klimakollapses. Eine Begrenzung auf 1,5 Grad Erwärmung lässt sich aber nur erreichen, indem die CO2-Emissionen bis 2030 um 45 % gegenüber dem Stand von 2010 reduziert werden. Derzeit scheint das kaum erreichbar. Denn 2018 steigen die globalen Emissionen – nach einer kurzen Pause von zwei Jahren – wieder an. Geht es so weiter wie bisher, erwärmt sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um 3 Grad – mit mutmaßlich apokalyptischen Folgen.Die Reaktion auf den Sonderbericht des Weltklimarats ist bisher im Wesentlichen ohrenbetäubendes Schweigen. Kein mächtiger Politiker wagt sich mit der Ankündigung nach vorn, alle Bemühungen müssten neu überdacht und das Tempo des Wandels erhöht werden. Erstaunlich ist das nicht. Zu erheblich wären die unbequemen Folgen für das Alltagsleben, besonders was Verkehr, Wohnen und Reisen betrifft.Auch die meisten Investoren haben bislang keine klare Absetzbewegung von fossilen Brennstoffen vollzogen. Zwar reduzieren viele Pensionsfonds und institutionelle Investoren wie die niederländische Aegon unter dem Stichwort “Divestment” ihre Engagements in Ölkonzernen und Bergwerken samt Kohlekraftwerken. Zudem zwang kürzlich die Bank von England die Finanzkonzerne in ihrem Aufsichtsbereich, hochrangige Manager für Klimarisiken einzustellen, die künftig regelmäßig die finanziellen Risiken durch Vorfälle wie etwa Überschwemmungen für einen längeren Zeitraum als nur die nächsten vier Jahre abschätzen sollen. Zudem verschieben einige Ölkonzerne wegen der zu erwartenden globalen Energiewende ihre Investitionen von der teuren und nur langfristig profitablen Tiefseeförderung auf die schneller ertragreiche Schiefergas-Ausbeute und teilweise auf erneuerbare Energien. Doch gleichzeitig boomen wieder die australischen Bergwerke, die am Tiefpunkt des Kohlepreises 2013 Insolvenz anmelden mussten, weil inzwischen in China viele neue Kohlekraftwerke ans Netz gekommen sind und Brennstoff benötigen.Wer den Bericht des Weltklimarats nur halbwegs ernst nimmt, müsste schleunigst mit der Planung des längerfristigen finanziellen Ausstiegs aus jeglichen Investments in fossile Brennstoffe beginnen. Angesichts der verheerenden Folgen des Klimawandels ist damit zu rechnen, dass – auch wenn sich heute nur sehr wenig tut – in einigen Jahren die Stimmung kippt: Es könnte und wird wohl die Forderung nach einem unverzüglichen Stopp jeglicher Freisetzung von zusätzlichem CO2 in der Atmosphäre aufkommen. Das Schreckensbild einer “Öko-Diktatur” zeichnet sich ab. Harmlose Vorboten sind die Kämpfe um den Hambacher Wald am Rande des RWE-Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier.—–Von Christoph RuhkampDer Weltklimabericht lässt kaum noch Zweifel zu: Die globale Energiewende macht viele Milliardeninvestitionen in fossile Energieträger bald wertlos.—–