Trockenes Bier, trockener Notstand
Die Schließung der Grenze für Ausländer hat die Omikron-Variante des Coronavirus nicht stoppen können – in Japan rollt die sechste Infektionswelle dieser Pandemie. Die Regierung hat ab Freitag wieder den Notstand für den Großraum Tokio und einige Präfekturen verhängt. Nach dem alten Muster sollen Bars und Restaurants früher schließen und keinen Alkohol ausschenken. Für das Scheitern der Abschottungspolitik machte Außenminister Yoshimasa Hayashi auch einige Cluster von fast 4000 Infektionen in den 19 US-Militärbasen in Japan verantwortlich. Deswegen musste bereits vorige Woche der Notstand für die Insel Okinawa mit der größten Konzentration von US-Soldaten ausgerufen werden.
Im Unterschied zu normalen Einreisenden brauchen US-Soldaten und zivile Beschäftigte in den Basen sowie ihre Familien bei der Ankunft in Japan keinen maximal 72 Stunden alten negativen PCR-Test vorzulegen, keinen Schnelltest am Flughafen zu machen, nicht für bis zu sechs Tage in einem Quarantänehotel zu bleiben und sich danach auch nicht mehr selbst zu isolieren. Diese Ausnahmeregeln dürften die Ursache für die amerikanischen Corona-Cluster sein, was die Japaner auf ein Überbleibsel des Besatzungsregimes der Nachkriegszeit aufmerksam machte. Denn anders als in Deutschland klassifiziert das Stationierungsabkommen der USA mit Japan von 1960 die Militärbasen als extraterritorial. Dort gelten japanische Gesetze also nicht, japanische Behörden besitzen nicht einmal ein Zugangsrecht.
Daher konnte die Regierung die Leiter der Militärbasen nur dringend bitten, ihre Soldaten vor und bei der Einreise jeweils einen PCR-Test machen zu lassen. Aber erst seit der zweiten Januar-Woche dürfen die Soldaten ihre Basen nur noch für dringende Aktivitäten verlassen und müssen eine Maske tragen. Dennoch verzichtete Premier Fumio Kishida auf öffentliche Kritik an den Militärbehörden – schließlich hatte er vor wenigen Wochen mit den USA vereinbart, höhere Stationierungskosten von jährlich 1,5 Mrd. Euro zu übernehmen, ohne die Chance zu ergreifen, eine Revision des für Japan nachteiligen Abkommens anzusprechen.
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Wie ungern man in Nippon am Status quo rüttelt, obwohl es längst angebracht wäre, beweist auch der zweitgrößte Bierbrauer des Landes. Zum ersten Mal seit dem Verkaufsstart 1987 will Asahi Breweries ihr erfolgreichstes Produkt geschmacklich überarbeiten. Das Bier mit dem irritierenden Namen „Super Dry“ soll durch die Zugabe von Extrahopfen am Ende des Brauprozesses ein kräftigeres Aroma bekommen. Der Relaunch mit der größten Bierwerbekampagne seit 20 Jahren und einem neuen Design für Dosen und Flaschenetiketten ist für Mitte Februar avisiert. Der Ausdruck „Super Dry“ ergab sich aus dem japanischen Wort „karakuchi“, das einen im Abgang trockenen Reiswein beschreibt. Für diese Geschmacksnote beim Bier wird beim Brauen der Zucker vollständig fermentiert und der zusätzlich entstandene Alkohol wieder entfernt – in Deutschland waren solche Biere vor langer Zeit einmal als Diätpils bekannt.
Nach der Premiere vor nunmehr 35 Jahren entwickelte sich „Asahi Super Dry“ zum meistverkauften Bier in Japan und steht auch in vielen japanischen Restaurants im Ausland auf den Getränkekarten. Wegen seines klaren Geschmacks passt es gut zu vielen Speisesorten der japanischen Küche. Aber seit dem Verkaufshoch vor 20 Jahren ist der Absatz von „Super Dry“ um fast ein Drittel geschrumpft. Teils liegt es daran, dass die alternde Bevölkerung weniger Alkohol trinkt. Aber teils lieben japanische Konsumenten den Wechsel und probieren gern Neues aus, was Craftbieren Auftrieb verlieh.
Währenddessen versäumte Asahi es, ihren Bestseller durch Varianten oder Updates im Gespräch zu halten. In der Folge gab der Brauer vor zwei Jahren die Marktführung an Konkurrent Kirin ab. Der Gegenangriff birgt das Risiko, die Marke „Super Dry“ zu beschädigen, denn „dry“ schmecken längst auch andere japanische Biere. Zudem droht der Coronanotstand den Neustart zu erschweren: Durch das Ausschankverbot erhält das Wort „trocken“ nämlich eine ganz andere Bedeutung.