Und der Engel sprach: „Fürchtet Euch nicht“
Pünktlich zum Advent stellt das Bundesfinanzministerium wieder eine neue Sonderbriefmarke vor. Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer wird sie zum Wochenanfang nahe der Katholischen Akademie im protestantischen Berlin präsentieren. Ein Engel aus dem 18. Jahrhundert, gemalt vom Allgäuer Meister Johann Michael Hertz, trägt das Zeichen der Unschuld – eine Lilie – in der Hand und verkündet die frohe Botschaft: „Fürchtet Euch nicht“. Das ausgerechnet der Haushaltsstaatssekretär die Sondermarke mit diesem Spruch vorstellt, mag einen tieferen politischen Sinn haben. Die enormen Ausgabenwünsche der neuen Ampel-Koalition könnten einen fürchten lassen, dass das Geld des Bundes dafür nicht ausreicht. Gatzer ist der kundigste Berater des noch amtierenden Finanzministers und designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), wenn es darum geht, versteckte Reserven im Haushalt zu finden. In den vergangenen Wochen der Koalitionsverhandlungen war er dabei in zentraler Rolle. Der 63-Jährige kann auf eine Beamtenkarriere in der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums zurückblicken und hat unter SPD-Finanzministern wie Oskar Lafontaine und Hans Eichel immer wieder strategische Leitungspositionen besetzt. Peer Steinbrück holte ihn von einem kurzen Ausflug zur Finanzagentur des Bundes zurück und machte ihn 2005 zum Staatssekretär. Wolfgang Schäuble (CDU) hielt an ihm fest und tat gut daran. Schäuble und Gatzer gelang es, veritable Haushaltsüberschüsse des Bundes öffentlich als „schwarze Null“ zu verkaufen. Dies sollte allzugroße Begehrlichkeit dämpfen. Gute Haushaltsstaatssekretäre sind überlebenswichtig für einen Finanzminister. „Fürchtet Euch nicht“ mag auch die Botschaft des bekennenden Rheinländers Gatzer an die Ampel und Christian Lindner (FDP) als Bundesfinanzminister gewesen sein. Denn der Kenner aller Verästelungen des Haushalts hat noch immer einen Weg gefunden, ein Finanzloch zu füllen.
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Politische Symbolik steckt nicht nur in Briefmarken, sondern auch in den Weihnachtsbäumen, die vor den Staatsgebäuden in Berlin leuchten. Dieses Jahr ist Thüringen stark vertreten. Ein Baum aus Thüringen erstrahlt vor dem Sitz des Bundesrats, wo nach dem Rotationsprinzip Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow – und damit erstmals ein Linker – an der Spitze der Länderkammer steht. Nach guter föderaler Tradition kommt der Lichterbaum stets aus dem Bundesland des Ratspräsidenten. Aber auch vor der Kanzleramt kündigt ein Baum aus Thüringen die vorweihnachtliche Zeit an. Die mächtige Coloradotanne hat der regionale Waldbesitzerverband gespendet. Ursprünglich beheimatet in Nordamerika, ist der Baum auch bei Trockenheit genügsam – und damit ein warnender Botschafter im Klimawandel. Die Arbeitsgemeinschaft der Waldbesitzerverbände entscheidet in jedem Jahr über die Herkunft. 2020 schmückte eine 70 Jahre alte Rotfichte aus Hessen das Kanzleramt.