Paris

Ungewöhnliche Partnerschaft

Oper und Universitätsklinikum von Bordeaux wollen gemeinsame Aufführungen für Langzeitpatienten und Pflegepersonal veranstalten. Anderswo gehen die Kulturschaffenden gegen die Lockdowns auf die Straße.

Ungewöhnliche Partnerschaft

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Flugzeuge, Hubschrauber und Züge werden für neue Passagiere vorbereitet. Denn die Regierung von Emmanuel Macron plant eine massive Evakuierung von Covid-19-Patienten aus dem Großraum Paris, um die am Rande der Kapazitätsgrenze arbeitenden Intensivstationen der Region Île-de-France zu entlasten – und um eine strenge Ausgangssperre für das wirtschaftliche und politische Herz des Landes zu vermeiden.

Während sich Samstag auf den Zufahrtsstraßen der ringförmigen Stadtautobahn Périphérique die Autos in beide Richtungen stauten, weil Pariser Einwohner aufs Land, die Bewohner der Vorstädte dagegen ins Stadtzentrum wollten, wurden die ersten drei Patienten nach Angers, Le Mans und Nantes ausgeflogen. Die Zahl der Evakuierungen werde jetzt auf sechs pro Tag gesteigert und Ende der Woche noch stärker erhöht, kündigte Regierungssprecher Gabriel Attal am Sonntag am Pariser Flughafen Orly an.

*

Dann sollen speziell ausgerüstete TGV-Hochgeschwindigkeitszüge wie während der ersten Welle zum Einsatz kommen. Die Auslastungsrate der Intensivstationen im Großraum Paris betrug am Montag knapp 99%, der Inzidenzwert der Region lag bei 391 für die vergangenen sieben Tage. Die Krankenhäuser waren bereits vor einer Woche angewiesen worden, bis zu 40% nicht dringend notwendiger Operationen und anderer medizinischer Aktivitäten zu reduzieren.

Dasselbe Schicksal droht nun den Krankenhäusern im Westen Frankreichs, in die die Covid-Patienten aus dem Großraum Paris evakuiert werden. Seine Einheit werde nun schwere Operationen mit anschließend notwendigem Aufenthalt auf der Intensivstation absagen müssen, sagt Laurent Petit, Leiter der Intensivstation an der Universitätsklinik in Bordeaux, die diese Woche 40 bis 60 Patienten aus Paris erwartet. Zwar ist die Zahl der Covid-Patienten auf Petits Intensivstation vergleichsweise niedrig, doch sie Station ist derzeit mit anderen Patienten gut ausgelastet.

*

Das Universitätsklinikum von Bordeaux hilft nicht nur den Krankenhäusern von Paris, sondern ist jetzt auch eine ungewöhnliche Partnerschaft mit der Oper seiner Heimatstadt eingegangen. Beide wollen gemeinsam Projekte entwickeln, Konzerte in den zum Klinikum gehörenden Räumlichkeiten organisieren, um es Langzeitpatienten und Pflegepersonal zu ermöglichen, bei Proben zuzuschauen. Aber auch Sicherheitskonzepte für die Pandemie wollen Oper und Klinikum gemeinsam entwickeln.

Seit der ersten Ausgangssperre vor einem Jahr sei es der Wunsch der Oper und der dort angestellten Künstler, das Pflegepersonal des Universitätsklinikums zu unterstützen, sagt Marc Minkowski, der Generaldirektor der Oper von Bordeaux, der aus einer Ärztefamilie stammt. Beide Institutionen sind ohnehin eng miteinander verbunden, da das 1780 eingeweihte Grand Théâtre, wie die Oper von Bordeaux heißt, niemand anderem als dem Universitätsklinikum gehört. Das Grand Théâtre ist wie alle anderen kulturellen Einrichtungen in Frankreich weiterhin geschlossen – sehr zum Ärger der Kulturschaffenden.

Um dagegen zu protestieren, haben sie inzwischen rund 30 Theater in ganz Frankreich besetzt. Die Protestbewegung, die mit der Besetzung des Théâtre de l’Odéon in Paris Anfang März begann, will die Regierung unter Druck setzen, kulturelle Einrichtungen wie eben Theater unter Einhaltung von Abstandsregeln sofort wieder zu öffnen, sie und Kulturschaffende finanziell besser zu unterstützen und die geplante Reform der Arbeitslosenversicherung fallen zu lassen. In Bordeaux wurde bisher kein Theater besetzt, dafür veranstalteten Kulturschaffende am vergangenen Sonntag einen Kulturmarathon vor dem Grand Théâtre, um auf ihre prekäre Lage hinzuweisen. „Wir wollen arbeiten, um die Wiedereröffnung vorzubereiten“, sagt Sänger und Gitarrist Mathieu Crochemore von der Musiker-Gewerkschaft Snam. „Wir brauchen Hilfsfonds für die Proben.“