Flugindustrie

US-Airlines setzen zum Höhenflug an

Nach dem pandemiebedingt tiefsten Einbruch in der Geschichte der US-Flugindustrie könnte die Branche nun wieder vor einem Aufschwung stehen.

US-Airlines setzen zum Höhenflug an

Von Peter De Thier, Washington

Nach dem pandemiebedingt tiefsten Einbruch in der Geschichte der US-Flugindustrie könnte die Branche nun wieder vor einem Aufschwung stehen. Stellvertretend für den aufkommenden Optimismus steht nach Ansicht von Experten die geplante Fusion zwischen den US-Billigcarrier Frontier und Spirit Airlines. Sollten die Kartellbehörden den Deal im Wert von 6,6 Mrd. Dollar absegnen, dann hätten die Branchengiganten American, Delta, United und Southwest Airlines plötzlich einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Aber auch die amerikanischen Mega-Carrier rüsten sich zwei Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie für einen Aufschwung. Geplant sind kräftige Investitionen in die Modernisierung und Vergrößerung der Flotten und teilweise ein deutlicher Ausbau des Streckennetzes.

Nach dem Schicksalsjahr 2020, das laut Branchenverband Iata das „Schlimmste in der Geschichte war“, scheint sich nun ein Comeback abzuzeichnen. Die Einnahmen pro Passagierkilometer, die sogenannten RPKs, waren weltweit um 66% eingebrochen. Nachdem Corona den Flugverkehr im Frühjahr 2020 praktisch zum Erliegen brachte, flogen die Airlines Verluste von mehr als 137 Mrd. Dollar ein. Im vergangenen Jahr ging es dann wieder langsam bergauf. Allerdings war 2021 von massiven Schwankungen geprägt, in den USA wegen der volatilen Infektionszahlen, gegen Jahresende dem Ausbruch der Omikron-Variante, regional unterschiedlicher Kontaktbeschränkungen und der zunehmenden Politisierung der Pandemie. Flugpersonal tat sich schwer, Passagiere zur Einhaltung der Maskenpflicht zu zwingen. Das führte auf Flügen zu der höchsten Zahl an je gemessenen Zwischenfällen, Beschwerden und Verhaftungen von Passagieren. Tausende von Airline-Angestellten wechselten den Job. Gepaart mit steigenden Löhnen und Treibstoffkosten standen die Fluggesellschaften vor neuen Herausforderungen, die nur teilweise ein Auswuchs der Pandemie waren. Trotzdem bahnte sich eine Erholung an, und nirgendwo war das deutlicher bemerkbar als am Himmel über Amerika. Zwar verzeichnete der Branchenprimus American im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Verlust von 2 Mrd. Dollar. Gleichwohl fiel der Verlust deutlich niedriger aus als 2020, auch konnte der Konzernumsatz um mehr als 70% auf fast 30 Mrd. Dollar gesteigert werden. United setzte 24,6 Mrd. Dollar um, ein Plus von 66% und schickt sich ebenfalls an, aus den roten Zahlen zu kommen.

Nun sinken die Infektionszahlen in den USA deutlich. Das dürfte nach Ansicht von Experten die Branche weiter beflügeln. Folglich plant United, im Sommer sein Streckennetz auszubauen und sich dabei insbesondere auf lukrative Verbindungen in den Schengenraum zu konzentrieren. Auch wollen zahlreiche Airlines ältere Boeing- und Airbus-Modelle, die während der Pandemie ausgemustert wurden, durch neue Flieger ersetzen. Geplant sind zudem Investitionen in die Unterhaltungssysteme an Bord sowie in neue Sitze.

Harter Kurs

Von dem günstigen Umfeld könnten auch kleinere Carrier sowie Unternehmen wie Frontier und Spirit profitieren, die sich während der vergangenen Dekade als wichtige Player in der Marktnische der „Ultra-Billigflieger“ etabliert haben. Die beiden Heiratskandidaten hoffen zudem, von Synergieeffekten zu profitieren. Schließlich konkurrieren die Carrier derzeit noch auf 500 ihrer 2800 Flugrouten, und durch ein gemeinsames Streckennetz können die Überlappungen eliminiert werden. Wegen der hohen Inflation, insbesondere der Energiepreise und Personalkosten, könnte es zwar schwierig sein, die Preise weiter zu senken. „Unsere Geschäftsmodelle beruhen aber auf niedrigen Preisen, und davon wird es jetzt noch mehr geben“, verspricht dennoch Barry Biffle, Vorstandschef von Frontier, die 51,5% der Anteile an dem fusionierten Unternehmen halten wird.

Selbst wenn die nachlassenden Wirkungen der Pandemie, das robuste Wirtschaftswachstum und steigende Einkommen für eine günstige Ausgangsposition sorgen, werden die beiden Billigflieger noch einige Hürden nehmen müssen. Schließlich hat US-Präsident Joe Biden im Kampf gegen wettbewerbsverzerrenden Firmenehen einen harten Kurs eingeschlagen. So hatte sein Justizministerium gegen die Kooperation von American Airlines und Jet Blue im verkehrsreichen und lukrativen Nordostkorridor der USA geklagt. Um ihren Zusammenschluss über die Ziellinie zu bringen, werden Frontier und Spirit beweisen müssen, dass sie in einem inflationären Umfeld tatsächlich die Absicht haben, auch weiter Tiefstpreise zu garantieren.

Problem 5G

Auch für die gesamte Branche gibt es noch jede Menge Herausforderungen zu bewältigen. Unklar bleibt etwa, wie die Flugbranche langfristig mit dem Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards umgehen wird. Experten hatten vor katastrophalen Folgen für die Industrie gewarnt. Die Sorgen gelten Störungen in den Höhenmessern der Linienmaschinen, welche die Sendeanlagen der Mobilfunkanbieter in der Nähe von Flughäfen auslösen könnten. Da die Telekomunternehmen Verizon und ATT eine 5G-fre­ie Pufferzone in einem Radius von zwei Meilen um die Flughäfen eingerichtet haben, ist das Problem auf die lange Bank geschoben, aber keiner permanenten Lösung zugeführt.

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