Im BlickfeldZinsmargen unter Druck

US-Regionalbanken in schwerem Unwetter

Amerikas kleine und mittelgroße Geldhäuser leiden auch ein Jahr nach dem Kollaps der First Republic Bank unter hohen Zinsniveaus. Durch die Gewerbeimmobilienkrise rollen noch erhebliche Belastungen auf den Sektor zu.

US-Regionalbanken in schwerem Unwetter

US-Regionalbanken in schwerem Unwetter

Amerikas kleine und mittelgroße Geldhäuser leiden auch ein Jahr nach dem Kollaps der First Republic Bank unter hohen Zinsniveaus. Durch die Gewerbeimmobilienkrise rollen noch erhebliche Belastungen auf den Sektor zu.

Von Alex Wehnert, New York

Die jüngste Krise in Amerikas Bankensektor ist auf den Wetterradaren der Finanzmärkte höchstens als kleines Tiefdruckgebiet zu sehen – das sich allerdings als Vorbote eines neuen Sturms herausstellen könnte. So haben Regulatoren Ende April die in Turbulenzen geratene Republic First Bancorp unter Zwangsverwaltung gestellt, das Geldhaus mit Sitz in Philadelphia geht nach einer Versteigerung durch die US-Einlagensicherung FDIC an die lokale Konkurrentin Fulton Financial.

Zwar ist Republic First Bancorp mit einer Bilanzsumme von – Stand Ende des vergangenen Jahres – 6 Mrd. Dollar wesentlich kleiner als die nicht mit ihr verbundene kalifornische First Republic Bank oder die Silicon Valley Bank und die Signature Bank, die 2023 kollabierten. Das Trio kam jeweils auf Assets im Volumen zwischen rund 100 und 200 Mrd. Dollar, mit ihrem Scheitern standen drei der vier größten Bankzusammenbrüche in der Geschichte der Vereinigten Staaten fest.

Bedenkliche Liquiditätsklemmen

Allerdings nehmen sich die Probleme bei Republic First ganz ähnlich aus wie bei den kollabierten größeren Instituten: Schwere, nicht realisierte Verluste in den Anleiheportfolios treffen dabei mit einem hohen Maß an unbesicherten Einlagen zusammen – eine Kombination, die schnell in bedenkliche Liquiditätsklemmen führt. Und auch nach der Krise des vergangenen Jahres befinden sich zahlreiche amerikanische Geldhäuser noch in einer ähnlichen Gefahrensituation.

Laut der FDIC beliefen sich die nicht realisierten Verluste von US-Finanzinstituten aus Bonds, die zum Verkauf vorgesehen sind oder bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen, Ende 2023 kombiniert auf 478 Mrd. Dollar. Gegenüber dem Höchststand von 684 Mrd. Dollar aus dem dritten Quartal des abgelaufenen Jahres sind sie zwar deutlich zurückgegangen, fallen aber immer noch um ein Vielfaches höher aus als in jedem anderen Jahresviertel zwischen dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 und Anfang 2022.

Harter Einlagenwettbewerb

Hintergrund ist die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve, in deren Folge die Treasury-Renditen in die Höhe geschnellt und zahlreiche weitere als vergleichsweise sicher eingestufte Assets wie Anleihen staatsnaher oder kommunaler Emittenten sowie hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) mitgezogen haben. Hinzu kommt, dass der Drang nach knapper Liquidität bei hohen Zinsen den Einlagenwettbewerb der kleinen und mittelgroßen Kreditinstitute antreibt.

Verkompliziert wird die Situation nun dadurch, dass auch die größten Geldhäuser der Vereinigten Staaten inzwischen beginnen, mit höheren Zinsen um Depositenkunden zu werben. „Bei den Banken, die bereits Zahlen zum ersten Quartal Zahlen vorgelegt haben, sind die Zinsaufwendungen deutlich gestiegen – die Renditen auf ihre Assets aber noch stärker“, betont Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen Finanzdienstleister Nomura in New York. „Allerdings nehmen wir im Markt eine Sorge davor wahr, dass die Kostenbelastung noch steigen könnte und sich die Nettozinsmargen damit noch stärker einengen könnten.“

Selbst bei Branchenprimus J.P. Morgan fiel die Profitabilitätskennzahl im ersten Jahresviertel bereits auf 2,71%, nachdem sie im vorangegangenen Quartal noch bei 2,81% gelegen hatte. Bei der Nummer 2 des Sektors, Bank of America, explodierten die Zinsaufwendungen zwischen Januar und März gegenüber dem Vorjahr um über 56%. Auf die regionalen Institute, die nicht aufgrund ihrer schieren Größe Einlagenkunden anziehen, rollen laut Analysten damit noch stärkere Belastungen zu. „Gehen die kurzfristigen Kapitalmarktzinsen zurück, werden die Finanzierungskosten schneller fallen als die Einnahmen“, wendet Hertrich zwar ein. Allerdings haben die Hoffnungen der Marktteilnehmer auf baldige Zinssenkungen durch die hartnäckig hohe Inflation zuletzt erhebliche Dämpfer erhalten.

Infolge der Belastungen sind die Gewinne mittelgroßer Institute wie US Bancorp, Truist Financial und M&T Bank im Vergleich zum Vorjahr schon im Auftaktquartal um mehr als ein Fünftel gefallen, bei der in Rhode Island ansässigen Citizens Financial oder Huntington Bancshares aus Ohio gar um mehr als ein Drittel. Und die Detroiter Comerica halbierte ihren Profit gar um die Hälfte.

Für besonderen Druck sorgt die Krise am US-Gewerbeimmobilienmarkt, gegenüber dem viele Regionalbanken ein großes Exposure besitzen. Laut der Ratingagentur Fitch haben fast 1.900 US-Banken Gewerbeimmobilien-Assets im Volumen von über 300% ihrer Eigenmittel auf den Büchern. Und während der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Homeoffice-Trend Leerstände in Bürogebäuden nach sich zieht, müssen in den USA laut dem Datendienst Trepp bis Ende 2028 Gewerbeimmobilienkredite im Volumen von mehr als 2,8 Bill. Dollar zu deutlich strengeren Konditionen refinanziert werden. 

Zur Einordnung: Die insgesamt 541 Mrd. Dollar, die Schuldner 2023 ablösen oder zurückzahlen mussten, stellten bereits den höchsten Wert jemals dar. Die Volumina drohen den Markt zu überfordern. Angesichts der hohen Zinsniveaus und schwer gedrückten Immobilienbewertungen befürchten Analysten nun, dass die Zahlungsausfälle scharf anziehen werden. Die Default-Quote bei Gewerbeimmobilien insgesamt lag laut Trepp bei 4,67%, im Bürosegment fiel sie mit 6,58% aber noch wesentlich höher aus. Vor einem Jahr lag die Ausfallrate im Bürosegment noch bei lediglich 2,77%.

„Das Schwein nimmt gerade seinen Weg durch die Python“, beschrieb Bruce van Saun, CEO von Citizens Financial, die Marktsituation in einer Analystenschalte zuletzt mit einer amerikanischen Redewendung. Soll heißen: In dem ansonsten durch dünne Ausfallraten geprägten Markt haben sich die Verluste zuletzt aufgebläht. Bis die Python das Schwein verdaut habe, wird es laut van Saun noch einige Quartale dauern. Bei der im S&P 500 notierten PNC Financial Services haben sich die Nettoabschreibungen auf Gewerbeimmobilien im ersten Jahresviertel verfünffacht. Der Finanzdienstleister aus Pittsburgh erwartet neuen Stress, insbesondere im Büromarkt. CEO Bill Demchak beklagte jüngst, in vielen Fällen gebe es „überhaupt keinen Cash-flow" mehr.

New York Community Bancorp (NYCB) wäre zu Jahresbeginn bereits fast zu einem der prominentesten Opfer der Gewerbeimmobilienkrise geworden. Das auf Long Island ansässige Geldhaus geriet an der Börse schwer unter Druck, nachdem es einen überraschenden Verlust vermeldete und die Dividende gleich zweimal zusammenstrich. Denn es musste Kredite im Milliardenwert abschreiben und zudem höheren Anforderungen an die Risikovorsorge gerecht werden.

NYCB, die sich zunächst durch eine Kapitalerhöhung mit Unterstützung mehrerer Private Funds gerettet hat, wäre dabei beinahe ihr zu schnelles Wachstum zum Verhängnis geworden. Im Jahr 2022 übernahm das Geldhaus die Konkurrentin Flagstar Bank, im vergangenen Frühjahr sicherte es sich einen großen Teil der Assets der kollabierten Signature Bank – infolge der Deals wuchs seine Bilanzsumme auf über 100 Mrd. Dollar. Damit zählt sie zu den Instituten der Kategorie IV, für die deutlich härtere Kapital- und Liquiditätsvorgaben gelten als für kleinere Lender.

Umfassende Konsolidierung

Mit diesem Problem ist NYCB nicht allein. Die Zahl der US-Banken ist in den vergangenen fünf Jahrzehnten von 15.000 auf etwas mehr als 4.000 geschrumpft. Experten wie Hertrich rechnen damit, dass sich die Konsolidierung fortsetzt, da viele Institute um Stabilität ringen – mitunter aber mit kontraproduktiven Effekten. Einige Häuser suchen ihr Heil nun abseits des Einlagengeschäfts, zum Beispiel im Wealth Management oder gar im Investment Banking.

„Gebührenbasierte Geschäftsmodelle werden wertvoller“, betont Hertrich. Ob die kleinen und mittelgroßen Institute in der Lage seien, mit Wall-Street-Riesen zu konkurrieren, hänge auch von ihrem Standort ab. „Historisch generieren die Regionalbanken Wertschöpfung aus langfristigen lokalen Beziehungen – diese dürften sie durchaus nutzen können, um höhere Marktanteile zu gewinnen“, sagt der Nomura-Stratege.

Alarmglocken schrillen

Citizens Financial beispielsweise hat eine Privatbank eröffnet, mit der sie wohlhabendere Kunden adressieren will. Bei Analysten ließ dies aber die Alarmglocken schrillen – schließlich kopiert Citizens mit ihrem neuen Angebot ziemlich passgenau die Strategie von First Republic und hat sogar zahlreiche Mitarbeiter des kollabierten Instituts angeworben, das nun zu J.P. Morgan gehört.

Die Notübernahme lief im Gegensatz zur Veräußerung der Signature Bank und der Silicon Valley Bank, für die Regulatoren acht bzw. sogar 17 Tage nach Käufern suchten, reibungslos ab. Ebenso rasch wie bei First Republic ist zuletzt der Notdeal für die namensähnliche Republic First über die Bühne gegangen. Allerdings muss die FDIC die Transaktion bezuschussen, ihre Reserven schrumpfen damit um weitere 667 Mill. Dollar. Im vergangenen Jahr hatte sie bereits 16 Mrd. Dollar aufgewendet und so die Depositen amerikanischer Sparer garantiert. Um den Fonds aufzufüllen, erhebt die Einlagensicherung inzwischen aber hohe Sondergebühren von ihren Mitgliedsbanken. Die Krisen einzelner Institute drohen damit dafür zu sorgen, dass der Sturm im gesamten Sektor noch heftiger wirbelt.

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