Brüssel

Von der Leyen und die Jour­nalisten

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat eine Initiative zum Schutz von Journalisten in der EU gestartet. Auch auf dem EU-Gipfel in dieser Woche zeigte sie sich als Kämpferin für die Pressefreiheit. In Brüssel steht die CDU-Politikerin trotzdem unter sehr kritischer Beobachtung.

Von der Leyen und die Jour­nalisten

Der EU-Westbalkangipfel im slowenischen Brdo lief nicht immer ganz so, wie es sich Gastgeber Janez Janša wohl gewünscht hatte. Erst vermieste der Dauerregen dem Ministerpräsidenten die Stimmung und verhinderte am Mittwoch freundlichere Bilder. Zwischen den für die Presse aufgebauten Zelten ging der Spruch um, es sei hier „wie in Woodstock – nur ohne Sex and Rock’n’Roll“. Und dann waren die Vibes auf der Abschlusspressekonferenz wohl auch noch andere als bei dem Festival damals: Janša wurde nämlich auf dem Podium mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen sehr öffentlichkeitswirksam nach seinem Konflikt mit der slowenischen Nachrichtenagentur STA gefragt. Der Rechtspopulist, der sich gern mit Journalisten (nicht nur im eigenen Land) anlegt, gibt seit Monaten die Finanzierung für die Agentur nicht frei, so dass diese jetzt kurz vor der Insolvenz steht. Janša tat die Frage als internes Spielchen gegen seine Regierung ab. Die neben ihm stehende von der Leyen verwies hingegen darauf, dass die EU-Kommission bereits mehrfach „schwere Bedenken“ in dem Fall geäußert habe.

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Nicht nur für die Westbalkan-Staaten, um die es auf dem Gipfeltreffen ja eigentlich ging und mit denen die EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit eigentlich auch noch ein paar Sachen zu besprechen hat, war das eine eher bizarre Szene. Aber von der Leyen musste auch deshalb so deutliche Ohrfeigen verteilen, weil sie sich ja selbst erst vor kurzem den Schutz von Journalisten in Europa groß auf die Fahnen geschrieben hatte. In ihrer Rede zur Lage der Union im September hatte sie eine Initiative für die Pressefreiheit in Europa und konkret auch zur Verbesserung der Sicherheit von Journalisten gestartet. Hintergrund ist die steigende Zahl von Angriffen auf Medienschaffende in der EU. 2020 wurden bereits mehr als 900 Attacken gezählt, insbesondere auf Demonstrationen. Die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten daher nun die Einrichtung unabhängiger nationaler Unterstützungsdienste wie Notrufstellen, Rechtsberatung, psychologische Betreuung und Schutzunterkünfte für Medienschaffende, die Bedrohungen ausgesetzt sind. Auch im Online-Bereich müssten Journalisten besser geschützt werden.

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Die Corona-Zeit hat die Arbeit für viele Journalisten noch einmal zusätzlich erschwert, weil vielfach der direkte Zugang zu Veranstaltungen nicht möglich war und das Informationssammeln in der Online-Welt dann doch noch einmal mühsamer war. Dies gilt auch für die Korrespondenten in Brüssel, für die sich erst seit Juli so langsam wieder die Presseräume der EU-Institutionen öffnen. Fast eineinhalb Jahre waren alle Pressekonferenzen und Hintergrundgespräche nur digital abgelaufen. Die neue Post-Corona-Normalität bedeutet aber auch, dass die aktuell bevorzugte hybride Variante von Presseveranstaltungen wohl auf zunächst unabsehbare Zeit noch fortgesetzt wird.

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Für einen heftigen Konflikt sorgt aktuell vor allem das Vorhaben der Kommissionspressestelle, die bislang nur für Korrespondenten mit einer EU-Akkreditierung zugelassenen vertraulichen Hintergrundbriefings online auch für alle anderen Journalisten in der EU zu öffnen. Die Association de la Presse Internationale (API), in der sich die in Brüssel ansässigen Korrespondenten organisiert haben, spricht von einem „existenziellen Thema“. Denn die EU-Korrespondenten würden ihren Exklusivzugang zu Informationen verlieren, was lediglich die immer für Transparenz eintretenden Schweden freuen würde. Die Gefahr, die die meisten API-Mitglieder sehen, ist, dass die Zahl der Vor-Ort-Reporter noch weiter sinkt und vor allem die Qualität der Briefings und im Endeffekt der EU-Berichterstattung weiter abnimmt. Einige in der Brüssel-Bubble vermuten, dass von der Leyen persönlich sowie ihre Berater hinter diesem Plan stecken, um die kritischen Beobachter vor der eigenen Haustür zu schwächen – auch wenn sich die Kommissionschefin in dieser Woche in Brdo noch als Vorkämpferin für die Pressefreiheit gezeigt hat.      (Börsen-Zeitung,