KommentarAutokonzern in Softwarenöten

VW-Chef Blume setzt alle Chips auf Rivian

Volkswagen schwört die Anleger auf Jahre des Übergangs ein. Vor 2027 dürfte wenig gehen – und auch dann nur, wenn eine milliardenschwere US-Wette von CEO Oliver Blume aufgeht.

VW-Chef Blume setzt alle Chips auf Rivian

Volkswagen

Alle Chips
auf Rivian

Von Sebastian Schmid

VW schwört die Anleger auf Jahre des Übergangs ein. Vor 2027 dürfte wenig gehen – und auch dann nur, wenn Blumes US-Wette aufgeht.

Für die Softwaretochter Cariad steht „eine den Aufgaben angemessene Reskalierung“ an, wie VW-Chef Oliver Blume sagt. Kreisen zufolge könnte jede dritte Stelle wegfallen. Das größte Problem des Wolfsburger Konzerns – die Kernsoftware für E-Autos – soll nicht mehr Cariad, sondern der US-Partner Rivian lösen. Und zwar konzernweit: vom günstigsten Skoda bis zum teuersten Porsche. Rivian stellt das Gros der Entwickler im gemeinsamen Joint-Venture und bringt auch die Softwarebasis mit. Cariad, in die über die Jahre ein zweistelliger Milliardenbetrag gepumpt wurde, wird in die Nebenrolle gedrängt.

Erstmal langsam

Geht Blumes Wette auf, darf die Investition von 5,8 Mrd. Dollar im Nachhinein als Schnäppchen gelten. Schließlich hatte die von Ex-CEO Herbert Diess ins Leben gerufene Cariad nicht nur zig Milliarden verschlungen, sondern auch Umsatz gekostet, da Entwicklungsverzögerungen für erhebliche Verspätung bei mehreren Modelleinführungen gesorgt hatten. Mit Rivian will VW nicht nur günstiger, sondern vor allem schneller werden. Doch bis dahin geht es erstmal langsam. Vor 2027 sind keine Autos mit dem neuen Betriebssystem am Markt. In China, wo man auf andere Partner setzt, soll 2025 ein weiteres Jahr mit Marktanteilsverlusten und einem praktisch halbierten Ergebnisbeitrag sein. Auch hier steht also eine Durststrecke an.

Hoffnungswerte

Für den Moment bleibt Blume nur, den Investoren Hoffnungswerte zu verkaufen. Das wäre leichter zu verdauen, wenn viele der Ideen nicht schon einmal formuliert worden und dann in der Umsetzung gescheitert wären. Etwa der Plan, in den USA deutlich Marktanteile zu gewinnen, den schon Diess und dessen Vorgänger Martin Winterkorn hatten. Der Optimismus mit Blick auf das Start-up Rivian weckt derweil Erinnerungen an die von Diess eingetütete Kooperation mit Argo AI im autonomen Fahren. Diese hatte „nur“ eine Milliardenabschreibung zur Folge.

Rien ne va plus

Bei Rivian legt Blume noch mehr Chips auf den Tisch. Jetzt heißt es „Rien ne va plus“. Bis die Kugel 2027 fällt, bleibt Vertrauen wohl die einzige Währung, mit der der Autobauer kurzfristig punkten kann. Nur wenn das bereits als müder Kompromiss wahrgenommene Sparpaket hält, was der Vorstand verspricht, dürfte er genug Zeit bekommen, um zu sehen, ob die Rivian-Wette aufgeht.

Für den Konzern wäre das gut. Wenn sich VW eines nicht leisten sollte, dann eine erneute Strategiewende.

Die schmerzhafte Wende nach der Trennung von Diess beschäftigt den Konzern bis heute. Und das nicht nur wegen des zuletzt noch immer zweistelligen Millionensalärs für den längst geschassten Ex-CEO, der 2024 sogar mehr einstreichen durfte als Blume.

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