Wassersportindustrie

Warten auf die Yacht

Für die französische Wassersportindustrie läuft es so gut wie seit Jahren nicht mehr. Doch Spannungen in der Zuliefererkette und auf dem Arbeitsmarkt führen zu längeren Wartezeiten und höheren Preisen. Das bekommen auch Charteranbieter zu spüren.

Warten auf die Yacht

Sie kamen mit goldenen Overalls, bunten Perücken, Nikolausmützen oder als Quietsche-Ente. Die meisten aber begnügten sich mit einem Neoprenanzug, über dem sie das T-Shirt der Veranstaltung trugen. Trotz früher Stunde herrschte am Ufer der Seine am zweiten Advent reges Treiben. Statt der als Bâteaux Mouches bekannten Ausflugsdampfer glitten rund tausend Stand-up-Paddler mit ihren Brettern an Notre-Dame und dem Eiffelturm vorbei. Das weltweite größte Rennen der jungen Sportart fand im Rahmen der Wassersportmesse Paris Nautic statt, die am Samstag in abgespeckter Form ihre Pforten öffnete, nachdem sie letztes Jahr wegen der Corona-Pandemie eine Zwangspause einlegen musste.

Vor den Ständen der französischen Bootsbauer Bénéteau, Dufour, Jeanneau und Fountaine Pajot, die hier ihre neuesten Segelyachten präsentieren, stehen Wassersportbegeisterte Schlange. „Haben Sie einen Termin vereinbart?“, fragt die Empfangsdame bei Dufour. „Was ist ihr Stamm-Segelrevier? Für welches Modell interessieren Sie sich?“ Nach einer wegen der Pandemie unverhofft guten Saison 2020/21 deuten jetzt alle Vorzeichen auf eine noch bessere Saison 2021/22 hin. „Die Bestellungen explodieren geradezu“, sagt Guianguido Girotti, stellvertretender Generaldirektor von Bénéteau. „In einigen Segmenten hat sich die Nachfrage im Vergleich zu 2019 sogar verdoppelt.“ Einen so dynamischen Markt habe er seit mindestens 15 Jahren nicht mehr gesehen, sagt auch Nicolas Gardies, der Chef von Fountaine Pajot.

Entsprechend geht der französische Verband der Wassersportindustrie Fédération des Industries Nautiques (FIN) nach ersten Schätzungen davon aus, dass der Umsatz der 5668 Unternehmen der Branche in diesem Jahr besser als der von 2019 ausfallen wird, als er mit 5,34 Mrd. Euro einen neuen Höchststand erreichte. Doch inzwischen bekommt auch diese Branche die Spannungen der Zuliefererkette zu spüren. Zudem sind geeignete Arbeitskräfte rar. All das schlägt sich nicht nur in längeren Wartezeiten, sondern auch in höheren Preisen nieder. Bénéteau etwa schätzt, dass sie sich 2022 um 6% bis 7% erhöhen werden. „Wir sind gezwungen, unsere Bestellungen zu begrenzen, da die Werften nicht mehr nachkommen“, berichtet Loïc Bonnet, der Chef des Charteranbieters Dream Yacht. Eigenen Angaben zufolge ist er der größte Kunde der französischen Bootsbauer. Er hat bei ihnen derzeit 400 neue Segelyachten bestellt, von denen 275 in den nächsten 18 Monaten ausgeliefert werden sollen.

Die Situation von Dream Yacht zeigt, welche Auswirkungen die Covid-Krise haben kann. „Die Auslastungsrate unserer Boote war noch nie so hoch wie jetzt“, sagt Bonnet. Dennoch geht er davon aus, dass Dream Yacht in diesem Jahr erneut Verluste machen wird. „Aber wir hoffen, nächstes Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben zu können.“ Fast hätte der 2001 gegründete Charteranbieter die Krise nicht überlebt. Die Reisebeschränkungen führten zu massenhaften Stornierungen der Buchungen, so dass ihm wichtige Einnahmen wegbrachen, um seine Schulden in Höhe von rund 150 Mill. Euro zurückzuzahlen. Obwohl dann im Sommer letzten Jahres vor allem im Mittelmeer wieder Buchungen reingekommen seien, sei ziemlich schnell klar geworden, dass Dream Yacht eine Rekapitalisierung benötigte, sagt Bonnet.

Mit Hilfe eines interministeriellen Komitees für industrielle Restrukturierungen hat das Charterunternehmen im Sommer zwei neue Investoren gefunden. Ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem Bénéteau 41% und die tschechische Gruppe PPF 59% hält, hat 87% des Kapitals übernommen und zugleich eine 50-Prozent-Beteiligung an dem Charteranbieter Navigare Yachting erworben. Nach einer Kapitalerhöhung über 60 Mill. Euro hat sich der Anteil der französischen Investmentgesellschaft Nextstage bei Dream Yacht seitdem von 51% auf 8,7%, der Bonnets von 34% auf 3,8% und der Fountaine Pajots auf 0,5% verringert. Vor Pandemie-Ausbruch hatte Dream Yacht 2019 mit seinen damals auf 52 Häfen rund um den Globus verteilten 1050 Segelyachten und Katamaranen einen Umsatz von 170 Mill. Euro verbucht. Nachdem er 2020 auf 103 Mill. Euro eingebrochen war, dürfte er 2021 schätzungsweise 135 Mill. Euro betragen.

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