Im BlickfeldAbwärtstrend bei Konzernen gestoppt

Warum die Immobilienkrise hinter den Kulissen weitergeht

Im Mai stehen die großen Immobilienkonzerne mit ihren Quartalszahlen wieder im Rampenlicht. Ihr Geschäft stabilisiert sich. An anderer Stelle sind die Aussichten weniger rosig, die Zahl der Großinsolvenzen in der Branche steigt.

Warum die Immobilienkrise hinter den Kulissen weitergeht

Immobilienkrise verlagert sich hinter die Kulissen

Im Mai stehen die großen Immobilienkonzerne mit ihren Quartalszahlen wieder im Rampenlicht. Ihr Geschäft stabilisiert sich. Hinter den Kulissen brodelt es in der Branche aber weiter.

Von Nadine Klees, Frankfurt

Während sich die einen erholen, müssen die anderen ihr Geschäft aufgeben. Die großen Immobilienkonzerne sprechen von Stabilisierung, gleichzeitig steigen die Insolvenzen in der Immobilienwirtschaft weiter an, gerade Büroimmobilien werden zum Teil mit deutlichen Abschlägen veräußert. Und so kommt es, dass die einen von einer „handfesten Krise“ sprechen und andere nicht. Ein Widerspruch, der keiner ist, wirft man einen Blick hinter die Kulissen. Man könnte auch sagen: Die Krise findet auf unterschiedlichen Bühnen statt, wobei eine deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommt als die andere.

Es brodelt weiter

Gerade auf der kleineren, eher leiseren Bühne, von der die Öffentlichkeit weniger mitbekommt, brodelt allerdings es weiter.  Laut einer Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg hat sich die Zahl der Großinsolvenzen im Immobilienbereich im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Betroffen seien vor allem der Bereich Innenausbau, Rohbauer und Projektierer. „Zum Teil wollen Projektentwickler ihre Grundstücke wieder loswerden“, erklärt der Vizepräsident des Immobilienverbands IVD Axel Quester. „Daher kommt es am Markt verstärkt zu Verkäufen unter Einstandskosten.“

Zum Vergleich: Die Insolvenzen sind zwar in allen Branchen gestiegen – im Schnitt aber nur um 30%. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht: Falkensteg geht davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen in der Immobilienbranche erneut um 50% zulegen könnte in diesem Jahr, da sich die Rahmenbedingungen noch nicht stark geändert hätten. Trotz sinkender Zinsen herrsche in Deutschland eine große Unsicherheit, die zu einer erheblichen Investitionszurückhaltung führe.

Zeit der großen Verkäufe vorbei

Das alles passiert eher leiser im Hintergrund. Im Rampenlicht dagegen stehen die CEOs und CFOs der Immobilienkonzerne, die im Mai wieder ihre Quartalszahlen vorstellen. Bereits im März sprach der Vonovia-Chef Rolf Buch davon, früher aus der Krise zu kommen als andere. Auch Deutschlands größter Vermieter von Wohnimmobilien hatte die vergangenen Jahre mit steigenden Zinsen, explodierenden Baukosten und sinkenden Immobilienbewertungen zu kämpfen. Verkäufe sollten hier Cash bringen. Aber jetzt soll es wieder aufwärtsgehen. Der Berenberg-Analyst Kai Klose ist sogar der Meinung: „Bei den börsennotierten Unternehmen gibt es ja gar keine Krise.“ Das Geschäftsmodell von Vonovia, LEG und TAG sei „staubtrocken“ aber „stabil“. Die Zeit der großen Verkäufe ist hier erst mal vorbei. Einzig LEG habe vielleicht noch ein wenig Nachholbedarf, so Klose.  

Das Vermieten von Wohnimmobilien ist ein zuverlässiges Geschäft. Wenn die Zinsen wieder sinken, entspannt sich die Lage laut Experten weiter. Aber auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn sowohl das Investitionspaket der Bundesregierung als auch die Zollthematik dürfte die Zentralbanken zunächst vorsichtig agieren lassen: „Und so lange bleibt alles in der Schwebe“, so Klose.

Kein Aufschwung zu erwarten

Bei Büroimmobilien werden sinkende Zinsen allerdings kein Heilsbringer sein: „Ein großer Aufschwung ist hier erstmal nicht zu erwarten“, kommentiert Warburg-Analyst Simon Stippig. In diesem Bereich habe es bisher wenige große Transaktionen gegeben und Vermietungen seien träge. „Zudem sind viele Entwickler pleite gegangen.“ Auch in Top-Städten wie Frankfurt wächst der Leerstand. Das Beratungsunternehmen Savills hat sich den Bürovermietungsmarkt im ersten Jahresviertel angeschaut: Im Schnitt liegt die Quote demnach bei  7,1%, ein Zuwachs von 60 Basispunkten im Vergleich zum Vorquartal. In Frankfurt sind es sogar 12,3% nach 11,1% im Vorquartal. Der Flächenumsatz in Quadratmeter sei im Schnitt in den Top-Städten 2024 zwar wieder gestiegen, bleibe aber immer noch 21% unter dem 10-Jahres-Durchschnitt.

Schrumpfkur durch Homeoffice

Die Zahlen belegen auch, dass es weniger Großanmietungen gibt, der Trend gehe zur Flächeneffizienz: „Im Großflächensegment geht es kaum noch um Erweiterungen, sondern vielmehr um Optimierung“, erklärt Jan-Niklas Rotberg, Managing Director und Head of Office Agency Germany bei Savills. Das heißt, Standorte werden zusammengelegt, Flächen qualitativ als auch quantitativ angepasst. Gründe für die Entwicklung sei vor allen, die Unternehmenskultur stärken zu wollen. In Zeiten des hybriden Arbeitens versuchen Unternehmen mit attraktiveren Standorten die Mitarbeiter wieder ins Büro zu locken. Mit anderen Worten: Neben der gesamtwirtschaftlichen Unsicherheit hat Homeoffice die Lage essenziell verändert und es sieht so aus, als würde das auch so bleiben.

Zeitfenster für Einstieg

Die Asset-Manager im Team von Ken Zipse bei Berenberg bekommen die Entwicklung auch bei ihrer täglichen Arbeit zu spüren: Sie müssen Flächen umstrukturieren, Mietflächen aufteilen, mehrere Mieter für eine Fläche finden. Sie haben deutlich mehr Arbeit als früher. „Die von den Nutzern nachgefragten Flächen haben sich deutlich reduziert, vor allem weil nicht mehr alle Arbeitnehmer jeden Tag ins Büro kommen.“ Und die Preise? „Die Kaufpreisabschläge bei Büroimmobilien sind teilweise dramatisch.“ Zipse spricht zum Teil von 30 bis 40% Abschlägen im Vergleich zum absoluten Peak vor dem Zinsanstieg.

„Der Druck auf die Branche steigt, je länger die Zinsen nicht sinken“, so Zipse. Offene Fonds müssten schauen, wie und wann sie verkaufen, um für die notwendige Liquidität zu sorgen. Projektentwickler müssten noch mehr Geld in die Zwischenfinanzierung qualitativ hochwertiger Gebäude stecken, weil man sie derzeit nicht verramschen wolle. Bei Büroimmobilien sei „richtig Druck auf der Pipeline“, wenn es nicht um Premiumlagen gehe. Darin sieht Zipse aber anderseits auch ein gutes Zeitfenster für den Einstieg.

Weitere Verkäufe

Ein Konzern, für den die Entwicklung der Büroimmobilien auch große Relevanz hat, ist Aroundtown. Das Portfolio der Luxemburger besteht etwa zu einem Drittel aus Büroimmobilien, die anderen Teile setzen sich aus Hotels und Wohnimmobilien zusammen. Bei der Jahrespressekonferenz im März kündigte der Konzern weitere Verkäufe an, um die Bilanz weiter zu stabilisieren. Allerdings verkauft Aroundtown nicht überwiegend Büroimmobilien, sondern vor allem die Assets, die derzeit gute Preise bringen.

Bis 2026 aussitzen

Wer aktuell Büroimmobilien verkaufen will, hat es teilweise schwer: „Derzeit finanzieren Banken leerstehende Büroimmobilien in dezentralen Lagen nur sehr zurückhaltend“, erklärt Christian Alpers von der Unternehmensberatung Falkensteg. Notverkäufe würden zwar nicht häufiger, dafür gewinne ein anderes Instrument an Bedeutung, das auf eine instabile Situation hinweise: das sogenannte offene Bieterverfahren – „Gerade in der aktuellen Marktphase – also bei sinkenden Preisen, regulatorischen Unsicherheiten und erschwerten Finanzierungsbedingungen.“ Kürzlich stand eine Immobilie in Frankfurt-Fechenheim innerhalb eines solchen Bieterverfahrens zum Verkauf. 20 potenzielle Käufer kamen zum Termin: Ein großer brauner Kasten voller Büros – fernab vom Charme moderner Bürogebäude. Zum Zeitpunkt des Verkaufs standen 60% der Fläche leer. Am Ende eines solchen Termins darf jeder ein Angebot abgeben.

Besonders schwierig sei die Situation für institutionelle Investoren, so Alpers: „Viele Immobilien wurden zu teuer eingekauft.“ Wer nicht dazu gezwungen sei zu verkaufen, sei gut beraten, die Situation einfach auszusitzen – bis 2026 oder länger.

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