Pandemie

Was vom Corona-Schub bleibt

Anbieter von Onlinegeschäften sind die Gewinner der Pandemie. Mode-, Möbel- und Essensplattformen profitieren teilweise massiv von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Restaurantschließungen und dem Arbeiten im Homeoffice. Doch allmählich nehmen die...

Was vom Corona-Schub bleibt

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Anbieter von Onlinegeschäften sind die Gewinner der Pandemie. Mode-, Möbel- und Essensplattformen profitieren teilweise massiv von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Restaurantschließungen und dem Arbeiten im Homeoffice. Doch allmählich nehmen die Impfungen gegen das Coronavirus Fahrt auf. Derzeit sieht es so aus, als könnte die Pandemie ungeachtet der Rückschläge beim AstraZeneca-Vakzin im zweiten Halbjahr bewältigt werden. Damit stellt sich die Frage, was von dem Wachstumsschub bleibt. Die jüngsten Aktienkursbewegungen zeigen bereits, dass Investoren vorsichtiger werden. Nach dem rasanten Kursanstieg seit Frühjahr 2020 stehen die sogenannten Stay-at-home-Aktien seit Wochen unter Druck.

Unabhängig vom künftigen Wachstumstempo bleibt den meist jungen Online-Firmen ein Vorteil: Der Coronaschub hat ihr Geschäft auf eine deutlich höhere Umsatzbasis katapultiert. Das führt zu erheblichen Skalenerträgen. Die niedrigeren Stückkosten zeigen sich darin, dass vor allem der Anteil der IT- und der Verwaltungskosten am Umsatz zurückgeht. Entsprechend höher fallen die operativen Margen aus. So konnten die Unternehmen vielfach die operative Verlustzone verlassen und gute Renditen erzielen.

Auch der Marketingaufwand ist, gemessen am Umsatz, häufig stark gesunken. Das hängt unmittelbar mit den zusätzlichen Bestellungen infolge der Pandemie zusammen. Wenn das Geschäft bereits brummt, kann man Werbung und Kundenakquise einschränken. Doch diese Einsparungen sind nur vorübergehend. Mit dem Auslaufen des Corona-Effekts dürfte die Marketingkostenquote wieder steigen. Schließlich wollen die Unternehmen ihre neuen Kunden halten und weitere gewinnen.

Vor allem Hellofresh stellt sich auf eine signifikante Abschwächung des Wachstums ein. Analysten schätzen, dass mindestens die Hälfte des Kochboxen-Bestellbooms auf die Virus-Einschränkungen zurückgeht. In der Nach-Corona-Zeit werden die Menschen wieder vermehrt Restaurants und Kantinen aufsuchen und wahrscheinlich weniger Lebensmittelpackungen für die Zubereitung eines Gerichts bestellen. Der Dax-Anwärter stellt für 2021 nur noch zwischen 20 und 25% Erlöswachstum in lokalen Währungen im Vergleich zu 2020 in Aussicht. Für das erste Quartal erwartet der Vorstand 70% Wachstum, so dass die Firmenprognose für den Rest des Jahres eine drastische Abschwächung auf 9 bis 15% impliziert, wie die Analysten von Stifel Research ermittelt haben. Zum Vergleich: Im Schlussquartal 2020 waren die Erlöse angetrieben durch neue Kunden und einen höheren durchschnittlichen Bestellwert währungsbereinigt um 126% auf 1,1 Mrd. Euro in die Höhe ge­schossen.

Selbst die von CEO und Mitgründer Dominik Richter angedeutete Prognoseerhöhung im Jahresverlauf würde an dem Befund einer starken Wachstumsabschwächung wenig än­dern. Stabilisierend wirkt dagegen, dass Hellofresh ein Abo-Modell verfolgt. Kunden müssen also aktiv werden, um Lieferungen zu unterbrechen. Das führt zu vergleichsweise hohen Wiederkaufraten. Zudem wollen die Berliner die Auswahl an Gerichten steigern, verstärkt Frühstück, Snacks, Desserts oder Backwaren verkaufen und die Fertiggerichtsschiene ausbauen. Die breitere Aufstellung stützt das Wachstum, hat aber eine Kehrseite: Die Komplexität nimmt zu. Das schmälert die Kostenvorteile durch Skalierung und erfordert zusätzliche Investitionen.

Online-Möbelverkauf brummt

Online-Möbelhäuser wie Home24 haben ebenfalls massiv von der Covid-19-Krise profitiert. Denn die Pandemie beschleunigt nicht nur die Verlagerung der Bestellungen hin zu Webplattformen. Hinzu kommt der Cocooning-Effekt: Der Rückzug in das häusliche Leben verstärkt den Wunsch, die Wohnung gemütlicher zu machen. Daher werden vermehrt Möbel und Wohnaccessoires angeschafft. Dieser Schub wird mit dem Wegfall von Reise- und Kontaktbeschränkungen auslaufen. Aufgrund vorgezogener Käufe könnte sogar eine Nachfragedelle drohen. Andererseits hoffen Home24 & Co., dass die Pandemie die bisher geringe On­line-Penetration nachhaltig voranbringt, was den Wegfall des Corona-Effekts zumindest auf mittlere Sicht kompensieren könnte.

Delivery Hero setzt auf die stark wachsenden Märkte in den Emerging Markets, was dem Essenslieferdienst weiter hohes Wachstum bescheren dürfte. Immerhin hat das hochdefizitäre Berliner Unternehmen bereits vor Ausbruch der Pandemie sein Geschäft im Vergleich zum Vorjahresquartal regelmäßig verdoppelt.

Bei den Bekleidungsverkäufern Zalando und Global Fashion Group hält sich der Corona-Effekt eher in Grenzen. Sie profitieren zwar deutlich von der pandemiebedingten Nachfrageschiebung, doch werden weniger Anzüge, Kleider und andere berufs- oder anlassbezogene Kleidung abgesetzt. Global Fashion macht geltend, dass der Nettowarenwert, also das Verkaufsvolumen einschließlich Partner, im vergangenen Jahr mit währungsbereinigt knapp 26% nur unwesentlich stärker gestiegen ist als im Vor-Corona-Jahr 2019 mit 23%. Bei Zalando stand 2020 ein Umsatzanstieg um 23% in den Büchern nach gut 20% 2019. Für das laufende Jahr stellt Zalando infolge der Ausweitung der Partnerprogramme sogar eine Wachstumsbeschleunigung in Aussicht.