Weihnachtswahnsinn am Herald Square
Notiert in New York
Weihnachtswahn am Herald Square
Von Alex Wehnert
Wer aktuell im Umfeld der New Yorker Penn Station zu tun hat, kann stattdessen gleich in den Zug zur nächsten Irrenanstalt steigen. Denn am nahen Herald Square ist der vollendete Weihnachtswahn ausgebrochen. Dass sich im „Christmas Shopping“ begriffene Touristen und sonstige Passanten vor der Flaggschifffiliale der Warenhauskette Macy’s gegenseitig fast tottrampeln, gehört fast schon zum Standardprogramm. Doch im laufenden Jahr lassen die weihnachtlichen Buden vor den südöstlichen Eingängen des Kaufhauses gefühlt besonders wenig Platz – vor wenigen Tagen brach dort sogar ein Feuer aus.
Wunderland im neunten Stock
Wer eben in der Lotterie gewonnen hat, kann sich an den Ständen zum Beispiel mit besonders kitschigen Weihnachtskugeln für 40 Dollar pro Stück eindecken. Wer sich indes durch das Gedränge auf dem Vorplatz in die ebenfalls hoffnungslos überfüllte Macy’s-Filiale kämpft, sich nicht von den Weihnachtsangeboten im ersten Halbgeschoss einlullen lässt und es dort gegen alle Widerstände bis ganz nach oben in den neunten Stock schafft, dem steht ein weiteres Weihnachtswunderland offen.
Hier gibt es heruntergesetzte Christbaumkugeln mitunter für 3,50 Dollar. Das findet allerdings nur derjenige heraus, der die wahlweise als Zuckerstangen, Schlittschuhe oder – typisch amerikanisch – als Baseball- oder American-Football-Spielgeräte angebotenen Ornamente auch zur Kasse schleppt. Denn auf den Preisschildern ist mitunter vom Vier- bis Fünffachen der schlussendlichen Kosten zu lesen.
Abenteuerliche Geschäftspraktiken
Die Rabattpolitik, mit der die Kaufhauskette gegen die Konkurrenz aus dem E-Commerce und von chinesischen Billigimporteuren zu bestehen sucht, ist mitunter abenteuerlich. Dies setzt sich auch im Online-Geschäft fort, in dem CEO Tony Spring die Nutzererfahrung verbessern will. Mitunter fällt sie schon zu gut aus: Ein New Yorker Kunde, der sich im Rahmen der Black-Friday-Woche ein um 50% heruntergesetztes Paar Winterschuhe im Macy’s-Shop bestellt hat, bekommt ungefragt gleich noch zwei Treter hinterhergeschickt. Als er diese brav in die Filiale am Herald Square zurückbringt, wird ihm als Belohnung der volle Preis auf seine Kreditkarte gutgeschrieben. Erklärungen, dass der Kunde einfach nur ehrlich sein wollte und die Schusters Rappen zum Nulltarif erhalten habe, prallen an der genervten Mitarbeiterin am Rückgabeschalter jedoch ab.
Dass Macy’s zuletzt den Ausblick zusammenstreichen musste, verwundert angesichts solcher Geschäftspraktiken kaum. Überhaupt legte die Kaufhauskette die Zahlen zum dritten Quartal nach einem Accounting-Skandal erst stark verspätet vor. Wie sich im Herbst herausstellte, hatte ein Mitarbeiter über Jahre Lieferkosten für kleine Pakete falsch angesetzt und somit seit 2021 über 150 Mill. Dollar an Ausgaben verschleiert. Nach dem Kurssturz, der auf die jüngsten Bekanntmachungen von Macy’s folgte, kreisen nun erneut aktivistische Investoren um die Warenhauskette. Der Wahnsinn am Herald Square hat damit offenbar erst angefangen.