Wenn sich der Staat mit Netflix verbündet
Notiert in Paris
Netflix als Verbündeter des Tourismus
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Von Gesche Wüpper
Auf den Spuren von Meisterdieb Assane Diop die verborgenen Schmuckstücke von Paris aufspüren oder mit CIA-Agent Court Gentry im Château de Chantilly Geheimnisse aufdecken: Wer auf den Spuren von Netflix-Helden wandeln will, muss nur nach Frankreich fahren. Dass die Produktionen der Streaming-Plattform ein Trumpf für die Tourismusindustrie sind, hat auch der französische Staat erkannt. Deshalb hat die staatliche Tourismusagentur Atout France gerade in Zusammenarbeit mit Netflix einen virtuellen Reiseführer herausgebracht.
Sie sieht darin eine Möglichkeit, ein neues Publikum anzusprechen. Immerhin hat eine für Netflix in Deutschland, Japan und den USA durchgeführte Umfrage ergeben, dass die Tatsache, in Frankreich gedrehte Filme oder Serien angeguckt zu haben, den Wunsch, das Land zu besuchen, erheblich steigert.
Dank des Reiseführers und einer interaktiven Karte könnten Besucher die in den Netflix-Produktionen in Szene gesetzten Orte entdecken, auch solche, die weniger bekannt seien, erklärt Atout-Generaldirektorin Caroline Leboucher. Man habe aber ganz bewusst darauf verzichtet, einige vom Übertourismus bedrohte Orte in den Reiseführer aufzunehmen. Dazu gehören die Kreidefelsen von Étretat, die auch in der Serie „Lupin“ zu sehen sind, oder die Boulangerie, in der „Emily in Paris“ einkaufen geht.
Für Netflix ist die Kooperation mit Atout France auch ein ideales Instrument, um Lobbying zu betreiben. Die Plattform leiste einen positiven Beitrag zur kulturellen Attraktivität Frankreichs, wirbt Marie-Laure Daridan, die Public-Relations-Chefin von Netflix in Frankreich. Der Streaming-Konzern finanziert rund 20 französische Produktionen pro Jahr.
Verzögert durch den Streik der Drehbuchautoren in Hollywood haben nun die Dreharbeiten für die vierte Staffel von „Emily in Paris“ begonnen. Sie sollen bis zu den Olympischen Spielen im Sommer abgeschlossen sein. So sehr sich die Tourismusindustrie über den Erfolg der Serie freut, desto genervter sind die Anwohner des 5. Arrondissements, in dem sie größtenteils spielt.
„Verzieh Dich, Emily. Paris Sud gehört Dir nicht“, war dort jetzt in Graffitis auf Häuserwänden zu lesen. Das Viertel sei nicht mehr authentisch, klagt eine Anwohnerin. Sie sei eigentlich vor zehn Jahren dorthin gezogen, weil es zentral gelegen, bei Familien beliebt und vor allem ruhig gewesen sei. Das sei jetzt nicht mehr so, da jetzt zu viele Touristen kämen.
Innerhalb der letzten sechs Jahre hat sich die Zahl der Dreharbeiten in Paris verdoppelt – auch wegen Netflix und Co. Auf 7.400 Drehtage kam die Stadt 2023, inklusive Werbespots und 98 Spielfilmen. Die Lizenzgebühren spülen Paris rund 2,5 Mill. Euro jährlich in die Kassen. Der Hotel- und Gaststättenindustrie wiederum bringen die Dreharbeiten schätzungsweise 10 Mill. Euro pro Jahr. Wegen Olympia wird sich die Zahl der Dreharbeiten im Sommer verringern. Danach dürften sie aber wieder voll durchstarten.