Wettstreit der Antriebe um den Lkw der Zukunft
Von Joachim Herr, München
Die Strategien für alternative Antriebe von Lkw zeichnen sich ab: Daimler und Volvo sowie der Zulieferer Bosch setzen in erster Linie auf Wasserstoff und teilen Risiken und Kosten in Partnerschaften, Traton mit den Marken MAN und Scania gibt dagegen der Batterie bessere Chancen – wie der Mutterkonzern Volkswagen bei Pkw.
In der Frage, Wasserstoff oder Batterie, geht es um Effizienz, Verfügbarkeit, Infrastruktur fürs Laden oder Tanken, Umweltbelange, Rahmenbedingungen der Politik und letztlich um die Kosten. Denn für die Käufer der Lkw, vor allem Speditionen, zählt jeder Cent der Total Cost of Ownership, die die Anschaffungs- und Betriebskosten umfassen. Im Vergleich zum Dieselmotor ist der Elektroantrieb per Batterie oder Brennstoffzelle heute noch wesentlich teurer. Entscheidend werden die Skaleneffekte sein und der Preis für Kohlendioxid-Emissionen.
Der Vorstand von Traton zeigt sich davon überzeugt, dass Elektroantriebe die Zukunft prägen werden und die Batterie im Vergleich zum Wasserstoff-Lkw in den allermeisten Fällen die günstigere und umweltfreundlichere Lösung sei, gerade auf der Langstrecke. Einen wesentlichen Nachteil der Brennstoffzelle sieht Matthias Gründler, der Vorstandsvorsitzende von Traton, in der Effizienz: „Nur ein Viertel der Ausgangsenergie fließt am Ende in den Antrieb, drei Viertel gehen von der Energiequelle bis zur Straße verloren.“ Im Batterie-Lkw sei das Verhältnis umgekehrt.
Daimler und Volvo starten
Skeptiker verweisen auf die Größe und den Preis der Batterie. So hält Veronika Grimm, eine der fünf Weisen im Sachverständigenrat, die Batterietechnik im Schwerlastverkehr wegen des Reichweitenproblems für nicht geeignet. Traton vertraut jedoch dem technischen Fortschritt in den kommenden Jahren.
Daimler Truck verspricht sich viel von Wasserstoff: „Für den Lkw-Einsatz im schweren Fernverkehr sind Brennstoffzellen eine entscheidende Lösung“, sagt Vorstandschef Martin Daum. Martin Lundstedt, der CEO von Volvo, spricht von einer „hervorragenden Ergänzung zu batterieelektrischen Fahrzeugen und erneuerbaren Kraftstoffen“.
Am Donnerstag in der kommenden Woche fällt der Startschuss für Cellcentric, dem Gemeinschaftsunternehmen von Daimler Truck und Volvo. Gemeinsam entwickeln, produzieren und vermarkten die zwei Konkurrenten Brennstoffzellensysteme für schwere Nutzfahrzeuge. In etwa drei Jahren sollen Kunden zu Probefahrten starten. Die Serienproduktion ist für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts geplant.
Der Zuliefer Bosch positioniert sich schon seit einiger Zeit klar für die Brennstoffzelle in Nutzfahrzeugen: Allein wegen des Gewichts der Batterie, der langen Ladezeiten und begrenzten Reichweiten sei der Elektroantrieb mit der aktuellen Batterietechnik für schwere Nutzfahrzeuge nicht die erste Wahl. „Gerade bei großen, schweren Fahrzeugen, die lange Strecken zurücklegen, bietet die Brennstoffzelle klare Vorteile“, sagt Stefan Hartung, der fürs Segment Mobility Solutions zuständige Geschäftsführer von Bosch.
In der vergangenen Woche kündigte der Stuttgarter Stiftungskonzern eine Partnerschaft mit dem chinesischen Nutzfahrzeughersteller Qingling Motors an (vgl. BZ vom 14. April). Ihr Gemeinschaftsunternehmen wird Brennstoffzellensysteme für den Markt in China entwickeln, montieren und vermarkten. Im nächsten oder übernächsten Jahr soll es die ersten Produkte zum Verkauf geben. „Wir nehmen bei der Industrialisierung der Brennstoffzelle jetzt im wahrsten Sinn des Wortes Fahrt auf“, sagt Hartung.
Zahlreiche Fachleute sind von Wasserstoff als wesentlichen Energieträger und -speicher überzeugt, um den Klimawandel aufzuhalten. „Niemand stellt in Frage, dass Wasserstoff ein Business-Modell sein wird“, sagt Uwe Lauber, der Vorstandschef von MAN Energy Solutions. „Die Frage ist, wie schnell schaffen wir den Hochlauf und für welche Anwendungen.“ Lkw konkurrieren etwa mit Antrieben für Schiffe und Züge sowie mit der Industrie, zum Beispiel in Stahlwerken.
Wasserstoff müsse zum Öl der Zukunft werden, schlug Lauber in einer Online-Veranstaltung des Wirtschaftsbeirats Bayern in der vergangenen Woche vor. Den Schlüssel sehen er und andere in großen Anlagen zur Aufspaltung (Elektrolyse) von Wasser in Wasser- und Sauerstoff. Damit diese wirtschaftlich und umweltfreundlich betrieben werden können, wird an die Politik appelliert: „Der hohe Strompreis in Deutschland bestraft jede neue Technologie“, moniert Lauber.
„Einfach mal machen“
Auch für Wacker Chemie ist das schon lange ein Kritikpunkt. Um zudem die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, ist für Christian Hartel klar: „Wir brauchen einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energie in Deutschland und Europa.“ Hartel übernimmt Mitte Mai den Vorstandsvorsitz von Wacker.
Die Industrie spielt den Ball der Politik zu, um mit Wasserstoff den Durchbruch zu schaffen. „Der Bundesregierung fehlt der Pragmatismus“, klagt Siemens-Energy-Manager Armin Schnettler. „Wir brauchen ein paar große Projekte und Geschwindigkeit in der Umsetzung.“ Das sei alles. Lauber fasst es ungeachtet der bisherigen Initiativen und des Nationalen Wasserstoffrats noch kürzer: „Einfach mal machen.“