Neuer BaFin-Präsident

Willkommen in Bonn

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat an den Amtsantritt des ehemaligen Finma-Chefs Mark Branson derart hohe Erwartungen geknüpft, dass dieser sie wird enttäuschen müssen.

Willkommen in Bonn

9. Februar 1964: Die Beatles treten erstmals im US-Fernsehen auf und verändern auf Jahre hinaus die Pop-Musik in den Vereinigten Staaten. 2. Juni 1979: Johannes Paul II. beginnt im kommunistischen Polen die nach Lesart der katholischen Kirche bis heute politisch folgenreichste Papstreise der jüngeren Geschichte. 6.Juli 1984: Der SSC Neapel präsentiert seinen neuen Star Diego Armando Maradona, der den Fußballclub quasi im Alleingang aus dem Mittelmaß holen und zu zwei italienischen Meisterschaften sowie zum Gewinn des Uefa-Pokals führen wird. 1. August 2021: Mark Branson tritt als Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an.

Man muss schon höher ins Regal greifen, um Vergleiche für die mit dem Wechsel des Direktors der schweizerischen Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma an die Spitze der BaFin verbundenen Erwartungen zu finden, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinem Versprechen einer „Finanzaufsicht mit Biss“ nach Kräften geschürt hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Branson sie enttäuschen muss.

In sieben Jahren an der Spitze der Finma hat er sich einen Ruf als charakterstarker Pragmatiker mit großem Netzwerk und breiter Erfahrung im Bankgeschäft erworben. Dies hat aber auch nicht verhindert, dass sich Bransons einstiger Arbeitgeber Credit Suisse unter seiner Ägide als Finma-Direktor ein milliardenschweres Loch in die Bilanz gebrannt hat, weil er dem als Family Office getarnten Hedgefonds Archegos Wetten mit maximalem Hebel und minimalen Sicherheiten ermöglichte. Zudem hat sich die Bank durch die Kooperation mit Greensill Capital erhebliche Rechts- und Reputations­risiken in Haus geholt.

Sicher: Ein neues Organisationsstatut gibt Branson mehr Kompetenzen als seinem Vorgänger Felix Hufeld. Auch wurden der Behörde im Zuge von Fokusaufsicht und Bilanz-Taskforce 155 Stellen bewilligt, mit denen ihre Personalstärke auf mehr als 3000 steigt – ein Zehntel der Personalstärke der gesamten EU-Kommission. Was aber ändert sich ansonsten in der Anstalt, deren Sitz im einstigen Gebäude des Bundesfinanzministeriums an der Grau­rheindorfer Straße am Rande der Bonner Innenstadt schon mit seinen endlosen Fluren und Linoleumböden einiges an Geschichte und Patina, aber nicht viel Beweglichkeit ausstrahlt?

Natürlich werden sich die Beschäftigten der BaFin an Branson gewöhnen müssen. Vor allem aber wird sich der britisch-schweizerische Manager, über die Stationen London, Tokio und Zürich in die Bundesstadt gekommen, an die BaFin gewöhnen müssen: Die Finma ist als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit konzipiert, die zwar Parlamentskommissionen Rede und Antwort steht, grundsätzlich aber von Weisungen der Politik unabhängig agiert. Die BaFin dagegen steht unter der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums, was konkret etwa bedeutet, dass kein Zeitungsinterview des Präsidenten erscheint, das zuvor nicht in Berlin gesichtet worden ist.

Vor dem Finanzausschuss im Bundestag hat Branson als Anspruch eine „Aufsicht von Weltklasse“ ausgegeben und einen Wandel der Kultur als nötig bezeichnet. Wie weit es mit dieser her ist, demonstrierte zuletzt der BaFin-Personalratsvorsitzende mit der Forderung nach einem finanziellen Ausgleich für BaFin-Leute, die neuerdings nicht mehr letztlich unkoordiniert mit an inländischen Börsen notierten Einzel-Aktien spekulieren dürfen. 90% der BaFin-Beschäftigten sind verbeamtet. Ein Viertel des Personals ist, wie es ein früherer BaFin-Oberer einmal formulierte, per se hochmotiviert, ein Fünftel kaum zu erreichen – da bleibt mehr als jede zweite Kraft, die zu überzeugen ist. Es gibt Beobachter, die meinen, Branson bringe am besten ein gutes Dutzend Gefolgsleute mit, die seine Ideen in die Organisation transportieren. Arbeit gibt es für ihn zuhauf, von der Digitalisierung der Anstalt bis hin zum Aufbau einer Einheit mit Bilanz-Forensikern.

Der Papst gilt in der römisch-katholischen Kirche seit jeher als Stellvertreter Gottes auf Erden. Maradona hat in der Iglesia Maradoniana eine neureligiöse Bewegung mit Parodiecharakter inspiriert, und von den Beatles wusste deren Sänger und Gitarrist John Lennon zwei Jahre nach dem US-Auftritt in der Ed Sullivan Show, die Band sei nun „populärer als Jesus“. Ähnlich durchschlagende Wirkung wird Mark Branson, diese These sei gewagt, nicht vergönnt sein, zumindest solange kein Wunder geschieht.