Xiaomi als Retter der Damenwelt
Notiert in Schanghai
Xiaomi als Retter der Damenwelt
Von Norbert Hellmann
Was mögen Qualitätssicherungsaspekte in Chinas Damenhygiene-Industrie mit dem sauberen Image des Smartphonebauers Xiaomi zu tun haben? Mehr, als man auf Anhieb vermuten würde. Im Netz hagelt es derzeit Beschwerden zu Praktiken heimischer Hersteller von Damenbinden. Die Probleme sind gewissermaßen vielschichtig. Zum einen geht es um Hautverträglichkeit. Der nationale Standard für die Qualität von Binden erlaubt pH-Werte zwischen 4,0 und 9,0. Das ist dermatologisch unbefriedigend, weil es dieselbe Norm ist wie bei Haushaltstextilien, die keinen längeren Körperkontakt bedingen. Entsprechend echauffieren sich Nutzer, ob sie für ihre Hygienebedürfnisse nicht besseres Material als Gardinenstoff verdient hätten.
Shrinkflation trotz Deflation
Noch größerer Aufreger ist die Größe der Produkte. Präzise Nachmessungen offenbaren eine Herstellertaktik, die man im Westen „Shrinkflation“ nennt. In Zeiten hoher Inflationsraten werden gängige Konsumartikel zum gleichen Preis, aber mit diskret verringertem Inhalt oder verkürzter Länge ins Regal gebracht. In China herrscht jedoch Deflationstendenz. Verbraucher profitieren von heftigen Preisschlachten. Traurige Ausnahme sind Damenbinden, die materialkostensparend mit verringerter Fläche und damit auch Absorptionsfähigkeit daherkommen.
Faule Ausrede
Offizielle Längenangaben auf der Packung werden klar unterschritten. Die Hersteller verteidigen sich damit, dass Abweichungen produktionstechnisch bisweilen unvermeidlich sind. Wohl eine faule Ausrede. Man kennt nämlich keine Fälle, bei denen die Technik auf eine Art und Weise versagt, dass die Größe auch mal nach oben ausweicht. Der Verband China Consumers Association (CCA) bezeichnet die Schrumpfungstendenz bei Binden als „eines der schwerwiegendsten Verbraucherschutzvergehen des Jahres 2024“.
Falsche Tonlage
Im Kreuzfeuer der Kritik steht der heimische Branchenriese ABC, dem Verbrauchertests systematische Längenunterschreitung von mehreren Zentimetern nachweisen. Mit einer offiziellen Reaktion hat sich ABC keine Freundinnen gemacht: „Die Fehlermarge ist normal. Kunden, die das nicht akzeptieren wollen, müssen die Binden ja nicht kaufen.“ Den nachfolgenden „Shitstorm“ kann man sich ausmalen. ABC-Gründer Deng Jingheng musste rasch zu Kreuze kriechen und salbungsvoll versprechen, dass man von nun ab absolute Nullabweichung anstrebe.
Lei Jun muss es richten
Damit sind wir beim Tech-Konzern Xiaomi, der neben Smartphones jede Menge andere Produkte vom Hochleistungshaartrockner bis zum Roboterhund vertreibt und neu bei E-Autos auftrumpft. Den für smartes und freundliches Auftreten bekannten Gründer Lei Jun haben die Geprellten als potenziellen Held und Retter auserkoren. In seinen häufigen Livestreams zu Xiaomi-Produkten und Konzernphilosophie wird der Star-Entrepreneur nun von weiblichen Anfragen regelrecht überrannt. „Lei, wir vertrauen Dir. Nur wenn Du auch High-Tech-Binden ins Sortiment aufnimmst, kann uns noch geholfen werden.“