Zeit, dass sich was dreht!
Katar calling! Die wohl umstrittenste Weltmeisterschaft der Fußballgeschichte hat am Wochenende begonnen. Der Ball rollt in Katar, einem Land, halb so groß wie das Bundesland Hessen.
Geographisch ist Katar ein unbedeutend kleines arabisches Land, doch wirtschafts- und besonders energiepolitisch zählt das Emirat zu den ganz großen Playern, basierend auf seinem Reichtum an fossilen Rohstoffen.
Die Welt ist nun nicht zu Gast bei Freunden (Motto der WM 2006 in Deutschland), sondern in einem Land, in dem Frauen bestenfalls zweitklassige Menschen sind und Ausländer ohne Kapital noch viel weniger gelten. Ein Land, in dem 300.000 Katarer auf Kosten von drei Millionen Ausländern leben. Einem Land, das beste Kontakte zu Steinzeit-Diktaturen wie den Taliban unterhält, islamistische Terrorgruppen unterstützt und finanziell fördert und für das Menschenrechte höchstens ein Mittel zum Zweck sind.
Die Kritik an diesem Land, dessen Weg zum Gastgeber der WM gepflastert ist mit Korruption und zahlreichen Toten beim Bau von Stadien, die schon bald nach diesem Großturnier wieder zu nutzlosen Ruinen zerfallen werden, ist so nötig wie wohlfeil und verlogen.
Vor WM und Olympia in Russland und in China war zwar auch Kritik aus den demokratischen Ländern zu vernehmen, doch diese ging schnell unter in dem von westlichen Regierungen propagierten Wandel durch Handel. Heute führt Russland Krieg in Europa und China gebärdet sich immer nationalistischer und aggressiver gegenüber seinem kleinen Nachbarn Taiwan.
Den jetzigen Gastgeber Katar verteidigt nun kaum noch jemand – mal abgesehen von einigen anderen arabischen Ländern und eben der FIFA als Organisator des ganzen Spektakels. Verlogen ist die Kritik aus dem Westen trotzdem.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verbeugt sich im Kampf um neue Energiequellen vor dem Emir, möchte die WM aber trotzdem boykottieren. Ganz vorne dabei in der Verlogenheitsliga ist aber Paris, wo die Stadt Fanfeste wegen des WM-Gastgebers verbietet, während sich gleichzeitig Serienmeister Paris Saint-Germain dank katarischem Geld mit einigen der besten Spieler der Welt zu einem der wirtschaftlich potentesten Clubs unserer Zeit entwickelt hat.
Katar wird sich durch diese WM nicht nachhaltig verändern. Das Turnier mit seinen künstlich runtergekühlten Stadien, dem Anstrich einer progressiven Entwicklung, den hundsmiserablen Arbeitsbedingungen und Benimmregeln für Ausländer ist ökonomisch wie ökologisch eine Katastrophe. Nicht besser die FIFA mit ihren korrumpierten Funktionären, die eigentlich die Interessensvertretung des beliebtesten Sports der Welt sein sollte. Stattdessen eine Spiegelung des Klischees der alten weißen Männer, die außer ihren eigenen überhaupt keine Interessen mehr vertreten.
Herbert Grönemeyer hat es mit seinem Liedtitel zum damaligen Turnier in Deutschland ziemlich gut auf einen Punkt gebracht, der damals schon galt und heute noch mehr: Zeit, dass sich was dreht!