Liefer-Start-ups

Zeitenwende

Die Lebensmittelbringdienste bekommen Gegenwind an den Kapitalmärkten. Sie müssen ihre aggressiven Expansionsstrategien anpassen. Investoren verlangen, den Cash-Verzehr zu bremsen.

Zeitenwende

Nach einer Phase des irrationalen Überschwangs setzt sich eine sachliche Haltung zu den Lebensmittelbringdiensten durch. Die Zeiten fulminant steigender Bewertungen sind vorbei. Investoren, die sich noch vor wenigen Monaten darum rissen, in Finanzierungsrunden mitmachen zu dürfen, analysieren die Geschäftsmodelle nun mit einer gesunden Portion Skepsis. Statt möglichst ungestümem Wachstum steht die Frage im Mittelpunkt, wann das Geldverbrennen wohl ein Ende hat.

Der Stimmungswechsel geht vor allem auf die steigenden Zinsen zurück. Kapital ist nicht mehr so billig wie in vergangenen Jahren. Hinzu kommen hohe Inflationsraten, teure Energie und der Krieg in der Ukraine. All das bremst die Konjunktur.

Die Auswirkungen dieser Zeitenwende bekommt gerade die vor zwei Jahren gegründete Gorillas zu spüren. Das Berliner Start-up hält schon wieder Ausschau nach Geldgebern, obwohl die letzte Finanzierungsrunde, die im vergangenen Oktober abgeschlossen wurde, fast 1 Mrd. Dollar brachte. Doch diesmal fordern Investoren, dass Gründer und CEO Kagan Sümer erst einmal den Cash-Verzehr bremst. Das hat weitreichende Folgen: Verwaltungsmitarbeiter müssen gehen, und in vier Ländern, für die strategische Optionen geprüft werden, steht womöglich der Rückzug bevor. Es bleiben die Kernmärkte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande und USA. Diese Länder sollen nächstes Jahr profitabel werden.

Zuvor hat Delivery Hero – im Vergleich zu Gorillas beinahe ein etabliertes Unternehmen – die Zurückhaltung der Investoren zu spüren bekommen. Obwohl die verlustträchtige Auslieferung von Supermarktartikeln nur einen relativ kleinen Teil des Geschäfts ausmacht, ist die im Dax vertretene Aktie seit November um mehr als drei Viertel abgestürzt. Derzeit notiert das Papier nur wenig über dem Ausgabepreis beim Börsengang vor fünf Jahren.

Die Botschaft ist eindeutig: Die Bringdienste müssen umdenken und ihre aggressiven Expansionsstrategien anpassen. Vor allem Turbolieferanten wie Gorillas geraten unter Druck. Da sie den Spontanbedarf abdecken, sind ihre Warenkörbe mit durchschnittlich etwa 20 Euro klein. In der Auslieferung sind aufgrund der kurzen Zeitfenster kaum Synergien möglich. Beides erschwert es, profitabel zu werden. Wettbewerber Flink hat den Vorteil, dass mit dem Handelsriesen Rewe ein starker Partner im Boot ist. In Frankreich kommt jetzt Carrefour hinzu. Gorillas hat in Sachen Partnerschaften noch viel Nachholbedarf.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.