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Zulieferer sorgen in Farnborough für Gesprächsstoff

Die Zulieferer können bei den geplanten Produktionssteigerungen der Flugzeugbauer nicht mithalten. Die Flugzeugbausparte von Airbus lanciert nun ein Sparprogramm.

Zulieferer sorgen in Farnborough für Gesprächsstoff

Luftfahrtindustrie

Zulieferer sorgen in Farnborough für Gespräche

Die Zulieferer können bei den geplanten Produktionssteigerungen der Flugzeugbauer nicht mithalten. Airbus lanciert auch deshalb ein Sparprogramm.

wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Es war eine Punktlandung, die trotz einer Verzögerung nicht besser hätte laufen können für Airbus. Rechtzeitig vor der Farnborough Airshow, die am 22. Juli südwestlich von London beginnt, hat der europäische Flugzeugbauer von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) die Zulassung für den A321XLR erhalten, die Ultra-Langstreckenversion des beliebten Mittelstreckenjets. Er bereitet jetzt die Indienststellung der neuen Modellvariante für Ende des Sommers durch den Erstkunden Iberia vor, der damit Flüge von Madrid nach Boston und Washington durchführen will. Für den A321XLR liegen Airbus mehr als 500 Bestellungen vor. In Farnborough könnten weitere dazukommen und das Orderbuch auffüllen. Dabei standen dort bereits Ende Juni Aufträge für 8.585 Flugzeuge, die noch ausgeliefert werden müssen.

Hängepartie

Doch Airbus kommt damit kaum hinterher. Bei Boeing und Embraer sieht es ähnlich aus. Eigentlich wollen die Flugzeugbauer mit der Produktion wieder durchstarten, nachdem sie sie während der Covid-Pandemie stark drosseln mussten. Doch ihre Zulieferer können bei den geplanten Produktionssteigerungen nicht mithalten, so dass Fluggesellschaften lange auf neue Jets warten müssen. Bis der Auftragsbestand, den McKinsey in einer neuen Studie auf weltweit mehr als 16.000 Mittel- und Langstreckenjets beziffert, abgearbeitet ist, werden Jahre vergehen.

Denn es fehlt an Triebwerken, Flugzeugsitzen und anderen Teilen für die Kabinenausstattung. Die Probleme der Lieferkette dürften bei dem weltweit zweitgrößten Treffen der Branche in Farnborough denn auch viele Gespräche dominieren. Wegen den Schwierigkeiten der Zulieferer und Abschreibungen für Satellitenprogramme musste Airbus Ende Juni eine Gewinnwarnung abgeben, seine Auslieferungsziele für dieses Jahr senken und die geplante Produktionssteigerung des A320-Programms bremsen. Christian Scherer, der Chef der Flugzeugbausparte, hat die Belegschaft deshalb kürzlich in einem Mitarbeiterbrief auf ein neues Sparprogramm namens Lead eingestimmt. Nähere Details dazu dürfte der Luft- und Raumfahrtkonzern am 30. Juli nennen, wenn er nach Börsenschluss die Ergebnisse des zweiten Quartals präsentiert.

Personalengpässe bei Zulieferern

„Seit einiger Zeit entfernen wir uns von unseren Zielen“, heißt es in dem Schreiben Scherers. Deshalb sei der geplante Kurs von Airbus in Gefahr. Wegen dem anhaltenden Druck in der Lieferkette und der komplexen Wirtschaftssituation müsse man sich jetzt auf das Wesentliche konzentrieren, erklärt Airbus. Zu den Maßnahmen des jetzt lancierten Sparprogramms sollen Einstellungsstopps für Büroangestellte gehören, die nicht in der Produktion arbeiten. Gleichzeitig sollen Mitarbeiter von Projekten abgezogen werden, die strategisch nicht wichtig sind, um stattdessen bei wesentlichen Vorhaben eingesetzt zu werden. Ähnlich will der Flugzeugbauer bei Kosten vorgehen.

Bei Lead gehe es darum, die geplante Produktionshochfuhr zu sichern, effizienter zu werden und die Fähigkeit in künftige Programme zu investieren. Es handele sich auf jeden Fall nicht um einen Sozialplan, betont Airbus. Während einige Maßnahmen schon fest stehen, sollen andere erst in den kommenden Wochen erarbeitet werden. Es gäbe einige Probleme mit Zulieferern, was den Flugzeugbauer daran hindere, die Produktion wie geplant zu steigern, sagt Gewerkschaftsvertreter Dominique Delbuis von der FO. Deshalb gäbe es jetzt für einen für die Branche relativ kurzen Zeitraum einen gewissen Personalüberschuss.

Situation hat sich verschlechtert

Dagegen leiden viele Zulieferer seit der Corona-Krise unter Personalengpässen. In einer in Zusammenarbeit mit den deutschen, französischen und britischen Branchenverbänden BDLI, Gifas und Ads von Roland Berger für einen Bericht durchgeführten Befragung gaben mindestens ein Drittel der Unternehmen an, wegen fehlender Personalressourcen nicht auf die geplanten Produktionshochfuhr vorbereitet zu sein. Deshalb entsendet Airbus inzwischen auch Mitarbeiter zu Zulieferern, um ihnen zu helfen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Fast die Hälfte der für den Bericht befragten Zulieferer klagten zudem über mangelnde finanzielle Ressourcen.

Das Umfeld der Lieferketten sei weniger krisenfest als es Airbus erwartet habe, als es die Hochfuhr geplant habe, sagte Konzernchef Guillaume Faury jetzt der Fachtzeitschrift „Flight Global“. Es habe noch nicht wieder die Stabilität und Vorhersagbarkeit erreicht, die es vor der Krise hatte. Der von Roland Berger Anfang Juni veröffentlichte Bericht hat sogar gezeigt, dass sich die Situation der Zulieferer im Vergleich zu 2023 eher noch verschlechtert hat. Denn das Ausmaß sehr schwerwiegender Unterbrechungen der Lieferkette habe deutlich zugenommen, heißt es darin. Am stärksten davon betroffen waren die Tier-1-Lieferanten.

Triebwerkshersteller hinken hinterher

Wichtige Triebwerkshersteller wie Rolls-Royce, die RTX-Tochter Pratt & Whitney und CFM, das Gemeinschaftsunternehmen von GE Aerospace und Safran, hinken der Nachfrage hinterher. Die Leap-Triebwerke von CFM kommen sowohl bei den neu motorisierten Versionen der A320- und 737-Mittelstreckenjets von Airbus und Boeing als auch bei dem Konkurrenzmodell von C919 von Comac aus China zum Einsatz. Eigentlich wollte das Joint Venture die Produktion von Leap-Triebwerken in diesem Jahr um 20% bis 25% steigern, doch inzwischen musste es diese Ziel nach unten korrigieren. Safran-Chef Olivier Andries hatte zuvor mehrfach kritisiert, dass Airbus' und Boeings Pläne für die Produktionshochfuhr zu ehrgeizig seien.

Pratt & Whitney dagegen leidet noch immer unter den durch verunreinigtes Metallpulver verursachten Materialproblemen. Denn deshalb sind umfangreichere Inspektionen der betroffenen Maschinen nötig. Zudem müssen Teile des Triebwerks schneller als sonst ausgetauscht werden. Die Auswirkungen von all dem dürfte Jahre anhalten. Rolls-Royce wiederum befindet sich noch immer mitten in einer Restrukturierung, während Spirit Aerosystems versucht, Qualitätsprobleme in den Griff zu bekommen.

Engere Anbindung

Nachdem Boeing Spirit vor 20 Jahren abgespalten hat, will der amerikanische Flugzeugbauer den wichtigen Lieferanten jetzt wieder übernehmen. Airbus hat in den letzten Jahren ebenfalls Flugzeugkomponenten-Aktivitäten in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern wieder enger ans Kerngeschäft angebunden und sie unter dem Dach von Airbus Atlantic und Airbus Aerostructures konsolidiert. Da Spirit auch Komponenten für den A350 und den A220 produziert, will Airbus einige Werke des Zulieferer für 1 Euro kaufen.

McKinsey zumindest sieht für die Zulieferer inzwischen Licht am Horizont. Seine Experten gehen davon aus, dass sich die größten Störungen der Lieferkette innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre wieder abschwächen. Damit dürfte auch die Produktionshochfuhr gelingen.

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