JSA24Zinsdifferenzgeschäfte mit Japans Währung

Fährt der Yen wieder Achterbahn?

Ein breites Comeback von Yen-Carry-Trades würde die Märkte erneut erschüttern. Aber verschiedene Unsicherheiten machen dieses Szenario wenig wahrscheinlich.

Fährt der Yen wieder Achterbahn?

Fährt der Yen wieder Achterbahn?

Ein breites Comeback von Yen-Carry-Trades würde die Märkte erneut erschüttern. Aber verschiedene Unsicherheiten machen dieses Szenario wenig wahrscheinlich.

Von Martin Fritz, Tokio

Der Yen ist nach dem Dollar und dem Euro die dritthäufigste gehandelte Währung am Devisenmarkt und hinter dem britischen Pfund die viertwichtigste Reservewährung der Welt. Vor allem aber ist sie seit zwei Jahrzehnten die beliebteste Finanzierungswährung für Zinsdifferenzgeschäfte, eine direkte Folge der Nullzinspolitik der Bank of Japan. Anleger leihen sich Yen zu niedrigen Zinsen, tauschen sie in Dollar und Schwellenländerwährungen und investieren in Vermögenswerte mit hohen Renditeaussichten, zum Beispiel US-Technologieaktien wie Nvidia und Schwellenländer-Anleihen etwa aus Mexiko. Steigt der Yen, lösen sie ihre Positionen schnell auf, um Verluste zu vermeiden. Die große Frage ist, ob diese Carry-Trades im neuen Jahr wieder Fahrt aufnehmen.

Schwarzer Montag als Warnung

Dagegen spricht, dass ein gebranntes Kind das Feuer scheut. Teils panikartige Rückabwicklungen von Carry-Trades verursachten im Juli und August einen kräftigen Einbruch bei US-Technologieaktien und sorgten an der Börse in Tokio für einen zweiten Schwarzen Montag nach dem Crash von 1987. Dennoch ist eine Wiederholung dieser Ereignisse im neuen Jahr kaum auszuschließen. So meldeten verschiedene Terminbörsen im Dezember eine kräftige Zunahme von Kontrakten auf einen fallenden Yen, was häufig als Indiz für den sonst schwer messbaren Anstieg von Carry-Trades gewertet wird.

Denn die Bedingungen für diese Zinsdifferenzgeschäfte mit dem Yen haben sich wieder verbessert. Erstens bleibt der Abstand zwischen den 10-jährigen Renditen von japanischen und US-Staatsanleihen mit aktuell 3,5 Prozentpunkten attraktiv hoch. Die US-Notenbank will ihren Leitzins 2025 nur zwei Mal senken, während die japanische Notenbank ihren Leitzins wohl erst im Frühjahr auf 0,5% anhebt und danach weiter Vorsicht walten lassen wird, damit die Deflation nicht zurückkehrt. Selbst wenn Japans Zinssatz auf 1 % steigt, bleibt die Logik dieser Carry-Trades laut Felix Ryan, Devisenanalyst bei der Australia & New Zealand Banking Group, weiter intakt.

Zweitens bleiben die Aussichten für einen starken Dollar gut, während der Yen unter Japans strukturellen Schwächen wie schrumpfende Bevölkerung und niedrige Produktivität leidet. „Die Zinserhöhungen der BoJ werden wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Renditedifferenz zwischen Japan und den USA zu schließen“, meint Charu Chanana, Chefstratege bei Saxo Markets. „Da die Verschuldung und die Haushaltssituation der USA eindeutig zu den wichtigsten Schwerpunkten der kommenden Trump-Regierung gehören werden, bleiben Yen-Carry-Trades weiter attraktiv.“

Trump als unbekannter Faktor

Allerdings spricht die Gefahr von unerwarteten Kursausschlägen, die Gift für Carry-Trades sind, gegen die breite Rückkehr dieser Deals. Niemand mag vorhersagen, auf welche Weise die von Trump angekündigten Deregulierungen und Zollerhöhungen den Dollar beeinflussen werden. Trump will angeblich einen schwächeren Dollar, aber Ökonomen schätzen seine bisher skizzierte Wirtschaftspolitik als inflationstreibend ein. Die US-Notenbank müsste dann ihre Zinsen oben halten, was den Dollar stärken würde. „Am Ende dreht sich alles um Trump“, sagt Shoki Omori, Chefstratege vom Brokerhaus Mizuho.

Yen-finanzierte Carry-Trades, die auf 10 der wichtigsten Währungen sowie Währungen der Schwellenländer abzielten, haben laut Bloomberg-Kalkulationen seit Ende 2021 eine Rendite von 45% erzielt, verglichen mit einer Rendite von 32% mit dem S&P 500, der zudem reinvestierte Dividenden berücksichtigt. Die Strategie war also sehr profitabel und daher enorm beliebt. Aber so lange die Unsicherheiten über Trumps Wirtschafts- und Finanzpolitik und damit die Gefahr einer hohen Volatilität am Devisenmarkt nicht beseitigt sind, bleiben Yen-Carry-Trades eine Wette, die vielen zu heiß sein wird.

Volatilitätsgefahr schreckt ab

Deswegen sind sich die Devisenstrategen über die Richtung für den Yen auch uneinig. Die Bullen erwarten 2025 einen Anstieg auf 140 Yen je Dollar. Laut Stefan Angrick, Ökonom bei Moody’s, ist der Yen im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Fundamentaldaten überverkauft. Währenddessen prognostizieren die Bären eine Abschwächung auf 160 Yen je Dollar. Joey Chew und Paul Mackel von HSBC sehen diese Bewegung schon im zweiten Quartal, sobald Trump anfängt, sein Programm umzusetzen. „Angesichts der hohen Unsicherheit sollte der Dollar gegenüber dem Yen die Oberhand haben, da der Dollar viel höhere Renditen und ein robusteres Wachstum aufweist“, schrieben die HSBC-Devisenstrategen.

„Der sehr große absolute Zinsunterschied bedeutet, dass der Yen immer als Finanzierungswährung angesehen wird“, meint auch Alvin Tan, Chef-Devisenstratege bei der Royal Bank of Canada in Singapur. “Der Hauptgrund, warum er nicht als Finanzierungswährung für einen Carry-Trade verwendet werden würde, ist die Volatilität.“ Diese Einschätzung liefert eine Erklärung dafür, warum viele Carry-Trader sich neuerdings verstärkt dem Franken als Finanzierungswährung zuwenden. Denn die Schweizer Devise bietet in Richtung Null sinkende Zinsen und eine vergleichsweise geringe Volatilität – und damit genau jene Bedingungen, die in der Vergangenheit den Yen zur idealen Finanzierungswährung machten.


Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Schöne neue Wirtschaftswelt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.