Geschacher beendet: Die neue EU-Kommission kann an den Start gehen
Grünes Licht für neue EU-Kommission
Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale schließen Koalitionsvereinbarung
fed Brüssel
Die beiden großen Fraktionen des EU-Parlaments, nämlich Christ- und Sozialdemokraten, haben ihre Streitereien über die Besetzung der Spitzenpositionen in der EU-Kommission nach tagelangem Geschacher beigelegt. Damit ist der Weg geebnet, dass die neue EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen kann.
Zankapfel war gewesen, dass die EU-Kommissionschefin den Italiener Raffaele Fitto nicht nur als EU-Kommissar, sondern auch als EU-Vizepräsidenten vorgeschlagen hatte. Die sechs Vizepräsidenten haben eine etwas herausgehobene Stellung innerhalb des Kollegiums der insgesamt 26 EU-Kommissare. Da Fitto ein Vertreter der „Fratelli d´Italia“ ist, also der italienischen Regierungspartei, die sich nicht klar von ihren faschistischen Wurzeln distanziert und die deshalb aus Sicht der Sozialdemokraten jenseits der „politischen Brandmauer“ agiert, wehrte sich die Parteienfamilie der SPD und ihrer europäischen Partner gegen diese prominente Berücksichtigung Fittos.
Zudem blockierten die Sozialdemokraten den ungarischen EU-Kommissar Oliver Varhelyi. Im Gegenzug verweigerten die Konservativen zunächst ihre Zustimmung für die spanische Sozialdemokratin Teresa Ribera, die in der EU-Kommission mit dem Ressort „Wettbewerb und nachhaltiger Transformation“ zur mächtigsten Figur nach von der Leyen werden könnte.
Drei-Parteien-Vereinbarung
Am späten Mittwochabend ließen die beiden Parteifamilien nach tagelangen Marathon-Verhandlungen schließlich weißen Rauch aufsteigen: Nach Angaben von EU-Abgeordneten beider Fraktionen haben sie sich gemeinsam mit den Liberalen auf eine zwei Seiten starke Vereinbarung verständigt. Sie sagen sich darin zu, als Parteien der politischen Mitte miteinander koalieren zu wollen.
Damit bekräftigen sie den politischen Willen, sich in den nächsten fünf Jahren bei der Arbeit an Verordnungen und Richtlinien nicht von der Zustimmung der erstarkten politischen Kräfte am rechten Rand abhängig machen zu wollen. Allerdings hat eine solche Vereinbarung weniger verbindliche Wirkung als die Koalitionsverträge auf nationaler Ebene, was unter anderem damit zu tun hat, dass im EU-Parlament die Fraktionsdisziplin ohnehin weit weniger ausgeprägt ist als in nationalen Abgeordnetenhäusern.
Die Grünen, die bei den Verhandlungen nicht mit von der Partie waren, reagierten mit scharfer Kritik auf die Drei-Parteien-Vereinbarung. Die Sozialdemokraten, so keilt der grüne EU-Abgeordnete Michael Bloss, verhielten sich „würdelos“, weil sie vor dem „Rechtspopulisten Fitto einknicken“.
Die Verständigung sieht vor, dass der für Gesundheit und Tierwohl zuständige Ungar Varhely einen kleinen Teil seines Dossiers, nämlich die Pandemieprävention, an eine andere EU-Kommissarin abtreten muss, dass zugleich Fitto auch von den Sozialdemokraten unterstützt wird und Ribera auch von den Konservativen, sodass die Zustimmung des EU-Parlaments zur gesamten neuen EU-Kommission nächste Woche im Plenum des EU-Parlaments sehr wahrscheinlich ist.