Verbriefungsregeln – die kritischen Punkte
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das Platzierungsvolumen von öffentlichen, forderungsbesicherten Wertpapieren (Public Asset-Backed Securities) ist in der Weltfinanzkrise Ende der Nuller-Jahre jäh eingebrochen und danach nicht wieder in frühere Größenordnungen zurückgekehrt. Das lässt sich auch an einigen wenigen Kennziffern veranschaulichen. Der Markt im Vereinigten Königreich und in der Europäischen Union entspricht gerade einmal 6% des US-Markts. Oder anders ausgedrückt: In Europa machen die Verbriefungen 1% des Bruttoinlandsprodukts aus, in den USA 18%.
Zahlen der EU-Wertpapieraufsicht ESMA weisen in die gleiche Richtung. Insgesamt, so berichtete die EU-Behörde vergangenes Jahr, sei das Volumen des europäischen Verbriefungsmarkts seit dem Ende 2010 erreichten Wert von 2 Mrd. Euro deutlich zurückgegangen. Ende 2022 waren laut ESMA in der EU 390 einzelne verbriefte Produkte in Höhe von 540 Mrd. Euro ausstehend, das Gros dieses Betrags war mit Wohnbauhypotheken verbunden.
Unter Bankern und Finanzprofis fallen vor allem zwei Stichworte, wenn über die Gründe dafür gesprochen wird. Erstens wird bemängelt, dass die Risikogewichtung zu hoch sei, also unangemessen viel Kapital vorgehalten werden müsse. Und zweitens gibt es Kritik an als unnötig empfundenen Offenlegungspflichten.
Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung hat Miye Kohlhase, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands deutscher Banken, jüngst moniert, dass Verbriefungen aufsichtsrechtlich schlechter behandelt würden als Kapitalmarktprodukte mit gleichem Risikoprofil. Obwohl Risiken – beispielsweise durch Selbstbehalt und Weiterverbriefungsverbot – verringert worden seien, sei der pauschale Risikoaufschlag für Verbriefungen, der sogenannte p-Faktor und Verbriefungsfloor, nicht ausreichend nachjustiert worden.
Jan-Peter Hülbert, Geschäftsführer von True Sale International – einem Netzwerk von Finanzdienstleistern und Kanzleien, die sich die Weiterentwicklung wertpapierbasierter Finanzierungen zum Ziel gesetzt haben – veranschaulicht die aufsichtliche Benachteiligung von Verbriefungen an einem Beispiel: „Nehmen Sie eine typische öffentliche Verbriefung von Auto- oder Wohnimmobilienkrediten, beispielsweise mit einer 90-prozentigen AAA-Tranche, einer 7-prozentigen BBB-Tranche und einer nicht-gerateten, 3-prozentigen Juniortranche. Die Kapitalanforderungen für diese drei Tranchen liegen in Summe deutlich höher als die Anforderungen für das zugrunde liegende Forderungsportfolio vor Verbriefung.“
Umfangreiche Transparenzanforderungen
Einigkeit besteht auch mit Blick auf zu umfangreiche Transparenzanforderungen. So argumentiert Dennis Heuer, Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei White & Case, in einem Gespräch mit der Börsen-Zeitung, dass die Investoren von privaten Verbriefungen sich gemeinhin sehr genau ansähen, welche Forderungen in einer Verbriefung berücksichtigt seien. Im Rahmen ihrer Due Dilligence betrachteten sie die Risiken sehr intensiv. „Deshalb sind die gesetzlichen Transparenzanforderungen oft überflüssig.“ Bankenverbands-Geschäftsleiterin Kohlhase stimmt zu. Die Transparenzpflichten seien unpragmatisch. Wenn ein Investor einer privaten Transaktion selbst eine Due Dilligence vornehme, zum Beispiel bei der Verbriefung von kurzfristigen Handelsforderungen, sei nicht nachzuvollziehen, warum darüber hinaus noch umfangreich Daten aufbereitet werden müssten, die für öffentliche Verbriefungen gedacht seien.
Neben diesen beiden zentralen Stellschrauben – Risikogewichte und Umfang von Reporting und Due Diligence – werden in Zusammenhang mit der erwarteten Novelle der Verbriefungs-Verordnung noch wenige andere Punkte diskutiert. Dazu zählt die von Frankreich aufgebrachte Überlegung einer Staatsgarantie, um durch Teilrisikoübernahme den Markt zu stimulieren – oft wird diese Überlegung mit dem Vorschlag für den Aufbau einer paneuropäischen Verbriefungsplattform verbunden.
Daneben gibt es Vorstöße, Verbriefungsregeln und Nachhaltigkeitsregulierung enger zusammenzuführen, indem grüne Produkte besonders behandelt werden. Und schließlich wird die Frage oft gestellt, wie es sich ändern lässt, dass sich große Versicherer derzeit so gut wie gar nicht am Verbriefungsmarkt engagieren und stattdessen auf anderen Märkten wie Private Debt unterwegs sind.