Scharfe Kritik aus der Wirtschaft
Die Corona-Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels treffen auf teils scharfe Kritik aus der Wirtschaft. „Bund und Länder agieren nur noch im Tunnelmodus“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, Stefan Genth, am Dienstag. „Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte wird der komplexen Lage nicht gerecht.“ Die Maßnahmen müssten sich an den wissenschaftlichen Fakten orientieren. „Und die zeigen, dass die Infektionsgefahr beim Einkaufen niedrig ist.“ Es sei deshalb höchste Zeit, die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und alle Geschäfte unter Einhaltung strikter Hygienekonzepte wieder zu öffnen. Der neuesten HDE-Umfrage vom vergangenen Wochenende zufolge, sehen sich 54% der Bekleidungshändler und 58% der Händler mit Schuhen und Lederwaren in Insolvenzgefahr. „Nach einem Jahr mit Corona ist die Lage bei vielen Händlern verzweifelt, vielerorts gibt es keine Hoffnung mehr, diese Krise wirtschaftlich überstehen zu können“, so Genth.
Die Reisebranche zeigt sich dagegen erleichtert, dass keine Quarantänepflicht bei der Rückkehr von Urlaubern aus Nicht-Risiko-Gebieten beschlossen wurde. Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, plädierte im ZDF auch dafür, Inlandsreisen zu ermöglichen, wo dies „gesundheitlich vertretbar“ sei. Dies sei wichtig, damit die Branche wieder auf die Beine kommen könne. Dazu seien Fortschritte bei den Impfungen und ein „intelligentes Testverfahren“ nötig.
Die Veranstaltungswirtschaft lehnte die Corona-Beschlüsse ab. Statt der in Aussicht gestellten Öffnungen rudere die Politik getrieben von Inzidenzen und kurzfristigen Handlungshorizonten zurück, erklärte der Fachverband Famab. Die vollmundig angekündigte Öffnungsstrategie ertrinke in einem Meer operativer Fehler. „Wir sind länger im Lockdown als jeder andere Sektor“, sagte Famab-Experte Jörn Huber. „Und unsere Produkte und Dienstleistungen lassen sich nun mal nicht zwischen zwei MPKs planen oder gar umsetzen.“ Die Branche brauche endlich ein verbindliches Signal aus der Politik.
Der Handwerksverband ZDH warnte vor einem breitflächigen Kollaps von Firmen. „Angesichts eines weiterhin fehlenden Planungshorizonts, dazu auch noch stockender oder unzureichender Überbrückungshilfen, werden viele Betriebe nicht überleben können“, sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im ZDF. Die Autohändler fürchteten das Aus für viele Betriebe der Branche. „Wir können und dürfen nicht warten, bis die Pleitewelle rollt. Die Politik muss Handlungswege aufzeigen und darf unser Land nicht länger stilllegen“, sagte Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Viele Existenzen im mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbe stehen auf dem Spiel.“
Als kontraproduktiv sieht der HDE die Schließung auch der Lebensmittelhändler an Gründonnerstag. Das führe zu erhöhtem Kundenandrang am vorhergehenden Mittwoch und dem folgenden Ostersamstag. „Den Lebensmittelhandel mit seinen nachweislich hervorragend funktionierenden Hygienekonzepten symbolisch für einen Tag zuzumachen, hilft im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter“, sagte Genth.