Flüssiggas

Tückischer Hoffnungsträger

Inmitten der Energiekrise ist Flüssigerdgas für Deutschland zum Hoffnungsträger geworden. Doch insbesondere der Importwettbewerb mit asiatischen Staaten dürfte die Preise für LNG weiter antreiben.

Tückischer Hoffnungsträger

Alex Wehnert

Im Ringen um die Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen kommt Flüssigerdgas (LNG) eine zunehmend bedeutsame Rolle zu. Deutschland plant den Bau von zwei LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade, zudem sollen mindestens vier schwimmende Anlagen an der Nordseeküste entstehen. Die Bundesnetzagentur hat sich Mitte Juni zudem dafür ausgesprochen, auch die Ostsee mit einzubeziehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich zuletzt optimistisch, dass eine Anlandung in Mecklenburg-Vorpommern in einigen Monaten möglich sein wird.

Allerdings stehen europäische Staaten im Werben um Flüssiggas-Lieferungen in Konkurrenz zu asiatischen Abnehmern. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Markt laut Analysten die Nachfrage aus China unterschätzt – Japan und Südkorea sind ohnehin auf LNG-Importe angewiesen, da sie naturgemäß über keine Pipeline-Anbindungen verfügen.

Der Einfuhrwettbewerb hat die Preise für Flüssigerdgas zuletzt zeitweise noch stärker angetrieben als die Notierungen anderer Energierohstoffe. Laut den Analysten des Datendienstleisters Refinitiv besteht angesichts des anziehenden Bedarfs asiatischer Importeure vor der Hauptkühlsaison aber das Risiko weiterer Anstiege.

Auch die Internationale Energieagentur davon aus, dass der globale LNG-Handel und insbesondere die Importe nach Europa und Asien 2022 noch einmal deutlich anziehen dürften (siehe Grafik auf S. 27). Zudem trifft höhere Nachfrage nach LNG auf hochkochende Angebotssorgen. Laut Refinitiv dürften die Vereinigten Staaten als weltgrößter Flüssiggas-Exporteur aus dem laufenden Jahr hervorgehen. Allerdings hatte der Produzent Freeport zuletzt mit Feuerschäden an einer Anlage in Texas zu kämpfen, die für rund 20 % der US-Aufbereitung verantwortlich ist. Bis September soll der Standort offline bleiben und erst zum Jahresende auf Vollbetrieb zurückkehren.

Für Investoren stellt sich damit die Frage, wie sie die Unterversorgung am Markt und resultierende Preisanstiege nutzen können. Eine indirekte Spielweise sind Staatsanleihen großer LNG-Produzenten wie Katar oder die Aktien einzelner involvierter Unternehmen.

Aufwendiger ist eine Teilnahme über Terminkontrakte auf Flüssiggas, da das monatliche Rollen der Futures hohe Kosten verursachen kann. „Investoren können am besten am Wachstum des LNG-Handels partizipieren, indem sie in eine Exchange Traded Commodity auf Erdgas-Futures investieren“, sagt Aneeka Gupta, Direktorin im Makro-Research des Assetmanagers Wisdom Tree. Diese börsengehandelten Produkte werden von verschiedenen Anbietern inzwischen rolloptimiert angeboten (siehe Artikel zu Exchange Traded Products auf Seite 28).

Wenngleich Analysten für die Preisentwicklung bullish eingestellt sind, stehen hinter den langfristigen Aussichten von LNG-Investments Fragezeichen. Denn diese dürften noch schlechter in Nachhaltigkeitsportfolios passen als Anlagen in Pipeline-Gas. Der Transport mittels Tankschiffen steht bei Umweltschützern in der Kritik.

Zudem gewinnt eine Debatte über die Sicherheit der Förderung und Verschiffung des explosiven Energieträgers nicht erst seit dem Brand in der Freeport-Anlage an Schwung. Sowohl für Investoren als auch für Verbraucher stellt LNG also einen tückischen Hoffnungsträger dar.