Abgeordnete zwischen Abstieg und Champions League
Von Stefan Paravicini, Berlin
Für Bundestagsabgeordnete wie Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der Mitglied im Fanclub „Koalition Rut-Wiess“ ist, heißt es in diesem Jahr zittern bis zum letzten Spieltag der Fußball-Bundesligasaison. Denn der 1. FC Köln, der seit 2018 einen eigenen Fanclub im Parlament hat, steht vor der letzten Runde auf einem Abstiegsplatz. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Dennis Rohde, wird mit den Abgeordneten im 2016 gegründeten Fanclub „Bundestag Grün-Weiß“ Werder Bremen die Daumen drücken, die auf dem Relegationsplatz steht. Zieht einer der Traditionsclubs noch an Arminia Bielefeld vorbei, die kurz vor Ultimo auf dem rettenden 15. Rang platziert ist, könnte das koalitionsinternen Krach mit Stefan Schwartze, dem jugendpolitischen Sprecher der SPD, bedeuten, der den „DSC Arminia Bundestag“ 2014 mit aus der Taufe gehoben hat.
Bundesadler für die Eintracht
Beim ältesten Bundesliga-Fanclub im Bundestag, dem 2012 gegründeten „EFC Bundesadler“, ist schon vor dem letzten Spieltag die Luft raus. Denn Eintracht Frankfurt hat auf den letzten Metern der Saison die schon sicher geglaubte Qualifikation für die Champions League verspielt. „Es war die schönste Saison aller Zeiten – bis zum 28. Spieltag“, sagt Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und Vorsitzender des EFC Bundesadler, zerknirscht. Da hatte die Eintracht gerade den VfL Wolfsburg in einem packenden Spiel bezwungen und lag sechs Spieltage vor Schluss sieben Punkte vor Borussia Dortmund auf Platz 4, der zur Teilnahme an der lukrativsten europäischen Liga berechtigt. Vor dem letzten Spiel gegen den SC Freiburg liegt dieses Ziel aber außer Reichweite.
Den Mitgliedern des EFC Bundesadler wird die Saison dennoch in guter Erinnerung bleiben. Der obligatorische Stadionbesuch – mindestens zweimal pro Saison reist die Fangruppe aus dem Parlament für Heimspiele im Frankfurter Waldstadion an – war wegen der Corona-Pandemie zwar nicht möglich. Die Mitgliederversammlung war aber auch unter pandemiekonformen Bedingungen ein Highlight. Denn neben Eintracht-Präsident und Ehren-Bundesadler Peter Fischer sowie Eintracht-Vorstand Axel Hellmann, die nach Berlin anreisten, war per Videoschalte aus Oslo auch der ehemalige Eintracht-Stürmer Jan Åge Fjørtoft mit dabei. „Da sind wir alle auf die Tische gestiegen und haben Übersteiger gemacht“, erzählt Nouripour begeistert von der Mitgliederversammlung. Genauso hatte Fjørtoft vor 21 Jahren den Torwart des 1. FC Kaiserslautern genarrt und die Frankfurter buchstäblich in der letzten Minute vor dem Abstieg bewahrt.
Anders als die sportliche Führung der Eintracht, der kurz vor dem Saisonende Trainer und Sportdirektor von der Fahne gingen, ist die Führung des EFC Bundesadler stabil. Nouripour wurde im Oktober als Vorsitzender bestätigt. Sascha Raabe (SPD) und Franz-Josef Jung (CDU) wurden als Stellvertreter wiedergewählt. Achim Kessler (Die Linke) und Bettina Stark-Watzinger (FDP) komplettieren als neu gewählte Stellvertreter das parlamentarische Spektrum in der Eintracht-Fankurve.
In der neuen Saison werden die Mitglieder des EFC Bundesadler nach der Qualifikation für die Europaliga Gelegenheit haben, auch während mancher Sitzungswoche des Parlaments Eintracht-Spiele zu sehen. Nouripour hofft, dass es dann auch mit der Qualifikation für die Champions League klappt. Ist das für 2022 wahrscheinlicher als eine grüne Kanzlerin? „Sagen wir mal so, ich weiß, was wichtiger ist“, sagt der Vorsitzende des Eintracht-Fanclubs im Bundestag verschmitzt.