Zhejiang

Alibaba und die dicke Luft in Hangzhou

Die chinesischen Parteikader haben den Regierungschef der wirtschaftsstarken Region im Visier, in der Jack Ma sein Alibaba-Imperium aufbaute. Die Umstände sind höchst dubios.

Alibaba und die dicke Luft in Hangzhou

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Hangzhou, die Kapitale der wirtschaftsstarken Provinz Zhejiang, ist nicht nur wegen des West Lake und seiner berühmten Reize eine ganz große Nummer in China und gilt als Nummer 5 im Großstadt-Ranking. Dahinter steckt vor allem Hangzhous steiler Aufstieg zu einem Technologie-Cluster der Sonderklasse, der wiederum maßgeblich auf den Tech-Milliardär Jack Ma und das von ihm in Hangzhou aufgezogene Alibaba-Imperium zurückgeht.

Wer in Hangzhou als Parteichef die Zügel in der Hand hält, ist damit auch in China ein wichtiger Mann, dem in der Regel eine große Karriere bevorsteht. Das galt bis zum Wochenende auch für den dynamisch wirkenden Zhou Jiangyong (54) der seit gut drei Jahren in Hangzhou als Parteichef Regie führt. Am Samstag kam es dann aber zu einer jener ominösen Ankündigungen der Parteiführung, dass Zhou Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Zentralen Kommission für Disziplinarinspektionen wegen Verstößen gegen die Parteidisziplin und nationale Gesetze geworden sei. Jedermann in China weiß, was es mit einem solchen Zweizeiler der Parteikommission auf sich hat. Es handelt sich um „Ermittlungsverfahren“ wegen Korruptionsverdacht gegen hohe politische Beamte, die mit absoluter Gewissheit zu einer Abberufung und langjährigen Ge­fängnisstrafe führen.

Das chinesische Publikum hat in den letzten Jahren Hunderte dieser Benachrichtigungen erlebt und zeigt sich selten überrascht. Die Nachricht von der Erfassung des Hangzhou-Parteichefs aber hat in Chinas sozialen Medien wie eine Bombe eingeschlagen und ist das Trending-Thema Nummer 1. Im Netz nämlich hat man rasch eins und eins zusammengezählt: Chinas Tech-Branche wird derzeit von einer geradezu umwälzenden Regulierungskampagne er­fasst, bei der es um Marktmachtbegrenzung der führenden Internetunternehmen, aber auch um das Zurechtstutzen der hinter ihnen stehenden Gründer und Tech-Milliardäre geht. Dabei hat sich Peking insbesondere auf Ma und mit ihm auf Alibaba und den Fintech-Schwesterkonzern Ant Group eingeschossen, dessen geplanter Mega-Börsengang untersagt wurde.

Zhou wiederum hat in den vergangenen Jahren besonders enge Beziehungen zu Jack Ma als dem wohl wichtigsten Sohn der Stadt Hangzhou gepflegt, was sich im derzeitigen politischen Umfeld als Bumerang erweist. Nun kursieren heftige Gerüchte, dass Zhou oder enge Familienmitglieder im Vorfeld des Ant-Börsengangs mit Anteilen beschenkt worden waren und daraus ein Korruptionsvergehen entstanden ist. Seitens Ant werden diese Spekulationen jedoch heftig dementiert.

Klar ist derzeit nur, dass es bei den Vorwürfen gegen Zhou tatsächlich um privatwirtschaftliche Geschäftsbeziehungen geht, von denen man annehmen darf, dass sie irgendetwas mit der Tech-Branche zu tun haben. Bezeichnenderweise nämlich hat die regionale Dienststelle der Disziplinarkommission am Montag eine zusätzliche Warnung an alle Parteikader in Hangzhou geschickt, sich einer Selbstexaminierung zu unterziehen, ob sie in den vergangenen drei Jahren in vergleichbare „Interessenkonflikte“ geraten sind. Ob Ma und Alibaba mit der Sache etwas zu tun haben, weiß man nicht. Aber die Anleger sind hochnervös. Während praktisch alle chinesischen Tech-Aktien nach langer Talfahrt am Montag eine kräftige Erholung durchmachten, stürzte der Alibaba-Kurs auf ein neues Allzeittief ab.