Bahn-Finanzvorstand Holle wird Sherpa für Merz
Von der Bahn ins Kanzleramt:
Holle wird Sherpa für Merz
Von Angela Wefers, Berlin
Levin Holle ist der Mann der großen Zahlen. Der Finanzvorstand der Deutschen Bahn wird auch künftig mit großen Zahlen zu tun haben, wenn der 57-jährige als wirtschaftspolitischer Berater von Friedrich Merz ins Kanzleramt wechselt und dort die Leitung der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik übernimmt. Die Position umfasst auch die Sherpa-Tätigkeit für den Kanzler bei G7- und G20-Gipfeln. Der Sherpa ist der deutsche Koordinator in der Gruppe der sieben großen Industrieländer, und der um Schwellenländer erweiterten G20. In Zeiten einer unberechenbaren US-Administration und wankender Weltwirtschaftsordnung dürfte diese Rolle ebenso herausfordernd sein wie die des außenpolitischen Kanzlerberaters.
Lenker der Wirtschaftswende
Der promovierte Jurist Holle wird vor allem die Wirtschaftswende hierzulande steuern müssen. Denn klar ist: Die großen Summen für Infrastruktur müssen in wachstumssteigernde Investitionen umgesetzt werden, wenn diese Regierung reüssieren will. Die Kärrnerarbeit liegt in den Fachressorts, aber das Kanzleramt muss alle zusammenbinden und auch mal Gas geben oder bremsen.
Holle geht sorgsam mit fremdem Geld um. Im Bahn-Vorstand, in dem er seit 2020 Finanzen & Logistik verantwortet, hat er gegen die hohe Verschuldung gekämpft. Das Staatsunternehmen setzte zuletzt 26 Mrd. Euro um und hatte Nettofinanzschulden von 33 Mrd. Euro. 2024 startete Holle ein Effizienzprogramm. Ihm gelang der Verkauf der Auslandstochter Arriva und des Logistik-Riesen Schenker. Das Closing mit dem dänischen Logistikkonzern DSV für Schenker ist Ende April vorgesehen. Für Holle wird es praktisch zum Abschiedsgeschenk.
Wanderer zwischen den Welten
Der Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik ist für ihn kein Novum. Wolfgang Schäuble (CDU) holte Holle 2012 in das Bundesfinanzministerium an die Spitze der großen und einflussreichen Finanzmarktabteilung. Zu ihr gehören Finanzmarktregulierung samt Aufsicht, Finanzmarktstabilität, Schuldenmanagement samt Finanzagentur sowie der Kampf gegen illegale Finanzflüsse. Internationale Finanzbeziehungen bestimmen dort das Tagesgeschäft – nicht nur bei den monatlichen Treffen von Eurogruppe und Ecofin in Brüssel, auch bei G7 und G20. Im Ministerium arbeitete Holle zusammen mit der Finanzaufsicht BaFin die Folgen der Finanzkrise auf. Seine Amtszeit fiel in die Niedrigzinsphase, die Versicherer und Pensionskassen zusetzte. Die Digitalisierung im Finanzsektor hat Holle immer als Chance angesehen und neuen Entwicklungen Raum gegeben – bei aller Vorsicht. Für Sustainable-Finance hat er einen marktadäquaten Ansatz gesucht.
Internationale Erfahrung
Zuvor hatte Holle 15 Jahre für Boston Consulting beraten. Zuletzt leitete er als Senior Partner die Niederlassung Berlin. Sein beruflicher Weg hatte ihn aus seiner Geburtsstadt Düsseldorf über Hongkong und Warschau dorthin geführt. Transformation im Finanzsektor und für den Finanzbereich von Unternehmen waren seine Projekte. Politischen Stallgeruch hatte Holle früh als RCDS-Vize in seiner Studienzeit angenommen, aber zunächst nicht weiter ausgebaut. Merz kann der baumgroße Holle auf Augenhöhe begegnen, wenn er ihn nicht sogar überragt.