Bankenexperte Krahnen geht – doch wer folgt?
Von Stefan Reccius, Frankfurt
Jan Pieter Krahnens Amtszeit läuft ab: In wenigen Monaten wird einer der profundesten Kenner der Bankenlandschaft in den Ruhestand gehen. Der Vertrag des 67-Jährigen an der Spitze des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE endet im September. Die zähe Suche nach einem Nachfolger ist in der entscheidenden Phase: Aussichtsreichster Anwärter ist nach Informationen der Börsen-Zeitung der Finanzmarktexperte Florian Heider (50) von der Europäischen Zentralbank. Der ursprüngliche Favorit Moritz Schularick (46), Makroökonom der Universität Bonn, hat abgesagt.
Die Forschungsstätte Sustainable Architecture for Finance in Europe – griffiger: SAFE – ist vor zwei Jahren in den bundesweiten Kreis der Leibniz-Institute aufgestiegen. Das hat dem 2013 gegründeten Institut überregionale Bedeutung verschafft. Einen Namen haben sich die Frankfurter Kapitalmarktexperten um Gründungsdirektor Krahnen in mindestens zweierlei Hinsicht gemacht: Ihre Forschung zu Auslösern der Weltfinanzkrise ist in die darauffolgende Regulierung der hiesigen Finanzbranche eingeflossen. Außerdem schreiben sie sich auf die Fahnen, das Grundkonzept der EU-Bankenunion mitentworfen zu haben.
Favorit abgesprungen
Die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft hat Krahnens Laufbahn gewissermaßen gekrönt. Seit 1995 ist er Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung in Frankfurt. Ein erster Versuch, als Forscherkollektiv in ein bundesweites Förderprogramm aufgenommen zu werden, scheiterte kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008. Ironie der Geschichte: Beworben hatten Krahnen und Co. sich mit Analysen zur Verwundbarkeit des Finanzsystems.
Das Scheitern habe sie drei, vier Jahre zurückgeworfen, räumt Krahnen heute ein. Entmutigt hat es ihn nicht: 2013 ist aus einer Kooperation von Goethe-Universität und Center for Financial Studies (CFS) mit Geld vom Land Hessen das Institut SAFE hervorgegangen. Seit Anfang 2020 darf es das Präfix „Leibniz“ im Namen tragen. Heimat ist das House of Finance auf dem Campus Westend.
Die Suche nach einem neuen Wissenschaftlichen Direktor – so Krahnens offizieller Titel – zieht sich seit mehr als einem Jahr. Aus den einstigen Wunschkandidaten ist jedenfalls nichts geworden: Für den international hoch angesehenen Ökonomen Markus Brunnermeier, auf dessen Bewerbung man dem Vernehmen nach insgeheim gehofft hatte, war ein Wechsel aus Princeton an die Goethe-Universität offenbar keine Option. Sein Bonner Kollege Moritz Schularick galt als favorisierter Bewerber, ist aber abgesprungen.
Schularick habe monatelang taktiert, heißt es in eingeweihten Kreisen. Im Dezember 2021 gewann er den mit 2,5 Mill. Euro dotierten Leibniz-Preis, eine der größten Ehrungen für Wissenschaftler in diesem Land. Auch das wird als denkbarer Grund für die Absage angeführt: Womöglich hat die Auszeichnung Schularick schlicht bessere Karriereoptionen eröffnet. Über alle Zweifel erhaben war Schularick angeblich ohnehin nicht. Zwar drängt er meinungsstark und streitbar in die Öffentlichkeit, was dem Institut Aufmerksamkeit garantiert hätte. Als Wirtschaftshistoriker passt Schularick thematisch aber nicht vollumfänglich zu dem engen Fokus auf Kapitalmarktforschung.
Kandidat von der EZB
Bei Florian Heider, auf den es dem Vernehmen nach nun hinausläuft, ist es andersherum. Heiders akademische Expertise soll Eindruck gemacht haben in der Berufungskommission, der Vertreter von SAFE, Goethe-Uni und Bundesministerien angehören. Präsidiales Auftreten und ein Drang in die Öffentlichkeit hingegen, so der kolportierte Eindruck, lägen dem Kandidaten eher nicht: Heider gilt als ruhig und zurückhaltend.
Der 50-Jährige hat 2001 an der Katholischen Universität Louvain promoviert. Nach Stationen an der London School of Economics und der Stern Business School der New York University ging er 2004 zur EZB. Dort hat Heider sich über Stationen in verschiedenen Fachbereichen zum Head of Section in der Abteilung für Financial Research hochgearbeitet. Regelmäßig publiziert er in führenden Fachjournals und in Publikationen der EZB.
In die Karten spielt ihm, dass für die Leitung des Instituts eher ein Primus inter Pares als ein Alleinunterhalter gewünscht ist. Eine Agenda entwickeln, Kontakte zur Politik knüpfen, das Institut nach innen verwalten und nach außen repräsentieren – in diese Aufgaben könne der Neue „reinwachsen“, heißt es.
Und falls die Suche nach einem Nachfolger auch im zweiten Anlauf doch noch platzt? Nicht ausgeschlossen, dass Krahnen dann zwei Jahre dranhängt. „Wenn man ihn darum bittet, wird er es machen“, sagt einer, der Krahnen gut kennt. Es geht schließlich um sein Vermächtnis. Vonseiten des Instituts heißt es nur: „Das Verfahren dauert an, SAFE und die Goethe-Universität Frankfurt sind gemeinsam in Verhandlungen mit Kandidat/innen, kommen aktuell in dem Prozess gut voran und hoffen, bald konkrete Ergebnisse verkünden zu können.“
Krahnen selbst gibt sich zuversichtlich, dass es diesmal klappt. Nach eigenem Bekunden will er erst mal eine Auszeit nehmen. Dauerhaft die Füße stillhalten scheint aber nicht sein Ding: Über neue Aufgaben mache er sich bereits Gedanken. Eines schließt Krahnen aus: Die Rolle als graue Eminenz, die nicht loslassen kann und aus dem Hintergrund weiter das Sagen hat, liegt ihm fern. Künftig sollen es andere richten.