Bei Holcim regieren wieder die Schmidheinys
dz Zürich –
„Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist“, sagt Tancredi, der Neffe des sizilianischen Fürsten Don Fabrizio, in Tomasi di Lampedusas Gesellschaftsroman „Der Leopard“. Er heiratet die Tochter eines unkultivierten, aber reichen Emporkömmlings aus dem Bürgerstand und rettet so den Besitzstand der Fürstenfamilie Salina über die im 18. Jahrhundert zu Ende gehende Zeit des Feudalismus hinweg.
Lampedusas Erzählung schwingt oft auch mit in der modernen Wirtschaftswelt, beispielsweise wenn sich zwei Unternehmen nicht ganz freiwillig zusammentun, um ihren Besitzstand zu verteidigen. „Syngenta bleibt Syngenta“, versprach Michel Demaré, der seinerzeitige Präsident des Baseler Agrarchemiekonzerns, als er 2016 die Übernahme des Konzerns durch die Staatsholding Chemchina verkündete, um das Schweizer Unternehmen dem Zugriff des amerikanischen Konkurrenten Monsanto zu entziehen.
Holcim bleibt Holcim beziehungsweise Lafarge bleibt Lafarge, versprachen 2014 auch die Architekten der schweizerisch-französischen Zementfusion, die vom gemeinsamen Ziel einer für die Aktionäre rentableren Zementproduktion geleitet war. Hüben und drüben sind die Unternehmen die Einlösung der Versprechen schuldig geblieben. Das einstige Syngenta-Management ist längst über alle Berge, und LafargeHolcim hat einen Großteil ihres Zementgeschäfts veräußert, um in neue, ökologisch nachhaltigere Geschäftsbereiche vorzustoßen.
Trotzdem wird Tancredis Parabel vom stetigen Wandel zur Bewahrung des Bestehenden im Fall von Holcim in gewisser Weise wahr. Das zeigt sich zunächst an der Tatsache, dass der Beiname des französischen Fusionspartners seit dem vergangenen Jahr aus der Unternehmensbezeichnung verschwunden ist.
Veränderung im Eignerkreis
Bedeutender als diese optische Rückkehr zum Ausgangspunkt sind die Veränderungen, die sich in den vergangenen Jahren im Aktionärskreis des Konzerns abgespielt haben. Die Groupe Bruxelles Lambert, die zum Zeitpunkt der Fusion mit einem Aktienanteil von 21% bei Lafarge beteiligt war und so zu einem Anteil von 9,2% an LafargeHolcim gelangte, hat ihre Beteiligung inzwischen auf rund 2% abgebaut. Auf der Generalversammlung zieht GBL mit Colin Hall ihren letzten Vertreter aus dem Aufsichtsgremium ab. Die belgische Investmentgesellschaft konzentriert sich seit geraumer Zeit auf andere Anlagen.
Von den einstigen Fusionspartnern bleibt nur noch die Schweizer Familie Schmidheiny an Bord. Mit einem Anteil von 8,4 % ist sie die mit Abstand größte Holcim-Eigentümerin, weit vor dem amerikanischen Fondsverwalter Blackrock (4,9 %). Zwar haben auch die Schmidheinys ihren Anteil von ehemals 11,2 % verringert. Doch die Beteiligung stelle nach wie vor ein wichtiges und wesentliches Investment der Familie dar, versichert deren Sprecher Jörg Denzler auf Anfrage.
In der Person des früheren McKinsey-Beraters Ilias Läber schicken die Schmidheinys auch einen neuen Vertreter in den Verwaltungsrat. Läber wurde im vergangenen Jahr zum CEO des Family Office der Schmidheinys, Spectrum Value Management, ernannt. Er ersetzte dort den altershalber zurückgetretenen Dieter Spälti, der am gestrigen Mittwoch auch bei Holcim ausschied. Mit der kanadischen Nestlé-Chefjuristin Leanne Geale holt sich der Holcim-Verwaltungsrat zudem rechtliche Verstärkung. Der Konzern steht in Frankreich wegen einer Bestechungsaffäre gegen die Lafarge während des Bürgerkriegs in Syrien unter Anklage.
Lange Tradition
Durch die Gründung der Zementfirma „Holderbank“ im Jahr 1912 gelangten die Schmidheinys zu großem Reichtum. Seit der Erbteilung der Familie im Jahr 1983 stehen die Zementaktivitäten im Eigentum von Thomas Schmidheiny. Dessen Bruder Stephan hält verschiedene Beteiligungen und besitzt eine bedeutende Kunstsammlung. Beide figurieren in der Liste der 300 reichsten Schweizer mit Vermögen in Höhe von jeweils 3 Mrd. bis 4 Mrd. sfr.