Wahlen in Kanada

Bittersüßer Sieg für Trudeau

Justin Trudeau ist der alte und neue Premierminister Kanadas. Sein Sieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen war aber alles andere als überzeugend. Analysten meinen, dass Trudeau, der auf eine absolute Mehrheit gesetzt hatte und diese deutlich verpasste, nun schwächer dasteht als zuvor.

Bittersüßer Sieg für Trudeau

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Die Rechnung ist für Justin Trudeau (49) nicht aufgegangen. Er bleibt zwar als 23. kanadischer Premierminister im Amt, doch seine liberale Partei hat in der vorgezogenen Parlamentswahl die absolute Mehrheit deutlich verfehlt. Prognosen des Senders CBC zufolge gingen nur etwa 158 der 338 Mandate an die Liberalen, die Konservativen errangen etwa 119 Sitze.

Der älteste Sohn des ehemaligen Premiers Pierre Trudeau hatte im August die vorgezogenen Wahlen, sogenannte „snap elections“, ausgerufen in der Hoffnung, dass ihn die Wähler für die Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie belohnen würden und seine liberale Partei die 2019 verlorene Mehrheit in der unteren Parlamentskammer zurückerobern könnte. Nun aber gewannen die Liberalen ein Mandat weniger als bei den Wahlen vor 2 Jahren. Damals verloren sie nach 4 Jahren die Mehrheit und führen seither eine Minderheitsregierung an, die ohne die Zustimmung der Konservativen keine Gesetze durch das Parlament bekommen kann.

Trudeau hatte unterschätzt, wie schlecht die um zwei Jahre vorgezogenen Wahlen in der Öffentlichkeit ankommen würden. Diese seien gerade angesichts der andauernden Gesundheitskrise nicht nur unnötig, sondern leicht durchschaubarer, politischer Opportunismus seitens der Regierungspartei, meinten Wähler. Trudeaus Argument, dass er ein starkes Mandat brauche, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen und die Wirtschaft auf Trab zu bringen, fand kaum Resonanz.

Einen Bumerang-Effekt entfalteten aber auch seine Angriffe gegen den Oppositionschef und Spitzenkandidaten der Konservativen, Erin O’Toole (48). Schließlich hatte der jugendliche und dynamische Politiker Trudeau seinen politischen Aufstieg, zunächst als Parlamentarier, dann Parteichef der Liberalen und seit 2015 Regierungschef, nicht zuletzt seinem sonnigen Gemüt und dem Optimismus zu verdanken, den er versprühte. Während des Wahlkampfs mutierte er aber zum Schwarzmaler. Seinem Gegner warf er vor, dass dieser als Premier sämtliche politischen Fortschritte wieder zunichtemachen würde – ob bei der Überwindung von Pandemie und Wirtschaftskrise, dem Klimawandel oder der Armutsbekämpfung. O’Toole, der früher Rechtsberater beim Mischkonzern Procter & Gamble und Minister für Kriegsveteranen im Kabinett von Ex-Premier Stephen Harper war, reagierte geschickt. Mit einem unerwarteten Linksruck verärgerte er zwar Vertreter des rechten Parteiflügels, erwischte dafür aber die Liberalen auf dem falschen Fuß.

Während er Trudeau ursprünglich wegen der Defizite kritisiert hatte, die seine Ausgabenprogramme nach sich ziehen würden, präsentierte er auf einmal selbst ein Parteiprogramm, das ebenfalls eine hohe Neuverschuldung zur Folge gehabt hätte. „Mit dem alten und neuen Premier sind wird wieder am Nullpunkt angelangt“ sagt Daniel Beland, Politologieprofessor an der McGill University. Experten zufolge ist Trudeau gar leicht geschwächt. Ohne deutliche Fortschritte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – der IWF erwartet einen Rückgang der Erwerbslosenquote von 9,6% im Krisenjahr 2020 nur auf 8,1% – könne er bei den nächsten Wahlen durchaus unterliegen.