Brachlianoff neue Chefin von Veolia
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie sei nicht hart, sondern gerecht und vor allem treu, sagt ein Mitarbeiter über sie. Sie habe sich in einem sehr anspruchsvollen, aus Ingenieuren bestehenden Umfeld behauptet, erklärt ein Headhunter. So gut, dass Estelle Brachlianoff nun die Leitung des Umweltdienstleisters Veolia Environnement übernommen hat. Brachlianoff, die am 26. Juli 50 Jahre alt wird, ist damit nach Catherine MacGregor (Engie) und Christel Heydemann (Orange) die dritte Frau, die an der Spitze eines CAC-40-Konzerns steht. Eine Aufgabe, auf die sie ihr Vorgänger Antoine Frérot seit langem vorbereitet hat.
Der 64-Jährige, der zwölf Jahre lang an der Spitze von Veolia stand und Vorsitzender des Verwaltungsrates bleibt, hatte sie 2018 zur für den Betrieb zuständigen stellvertretenden Generaldirektorin ernannt. Er habe vor, ihr eines Tages das Ruder zu übergeben, teilte er damals dem Verwaltungsrat mit. Frérot und die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums hätten seitdem sehr gut beobachten können, wie sie mit Schwierigkeiten umgehe, wie sie nur wenige Manager in so kurzer Zeit erleben würden, meint Verwaltungsratsmitglied Nathalie Rachou. Denn Veolia musste nicht nur die Coronakrise meistern, sondern auch den Kampf um die Übernahme von Suez.
Sie sei es gewohnt, zu kämpfen, sagt Brachlianoff über sich. Die übernommenen Suez-Einheiten und Veolia zu vereinen, lautet nun ihre wichtigste Aufgabe. Die Absolventin der renommierten Ingenieurhochschule École Polytéchnique, deren Vorbild als Kind die französische Astronautin Claudie Haigneré war, besucht deshalb gerade die wichtigsten Standorte des Umweltdienstleisters rund um den Globus. Damit wolle sie die Mitarbeiter von Suez willkommen heißen und gleichzeitig der Belegschaft von Veolia bedeuten, dass sie nicht in Vergessenheit gerieten, sagte sie der Wirtschaftszeitung „Les Echos“.
Brachlianoff gilt als Kind Veolias, denn nach ein paar Jahren bei einem Nahverkehrsbetreiber und der Präfektur des Großraums Paris hat sie 2005 im Konzern begonnen und die Karriereleiter erklommen. Unter anderem war sie für das Müllgeschäft im Großraum Paris, später für das in Großbritannien zuständig. Seit 2015 ist sie Vorsitzende der britisch-französischen Handelskammer. Zu ihrem Bedauern hat die britische Wettbewerbsbehörde durchblicken lassen, sie sehe es nicht gerne, dass sich die Zahl der Umweltdienstleister durch die Übernahme von Suez reduziert. Veolia hat deshalb angeboten, das Müllgeschäft von Suez in Großbritannien zu verkaufen.
Ein weiteres Problem, das ganz oben auf der Tagesordnung der neuen Chefin steht, ist die Trockenheit in Frankreich. Im Juni habe es bereits in der Hälfte aller Départements Wasserbeschränkungen gegeben, sagt sie. Normalerweise gäbe es das nicht vor August. Veolia habe Lösungen für das Problem. Dazu gehöre neben der Verbesserung des Wassernetzes auch die Wiederverwertung von Abwasser. Denn dabei hat Frankreich im Vergleich zu anderen, teilweise viel trockeneren Ländern noch erheblichen Aufholbedarf.