Branicks-Chefin hat Expansion überzogen
Branicks-Chefin hat Expansion überzogen
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Die Ehrung als "Kopf des Jahres" der Immobilienbranche liegt vier Jahre zurück. Damals brummten die Geschäfte, angetrieben von ultratiefen Zinsen. Heute kämpft Sonja Wärntges mit den Orkanböen der Immobilienkrise. Sie hat es versäumt, den von ihr gesteuerten Gewerbeimmobilienkonzern Branicks Group, die frühere DIC Asset, beizeiten für die Zinswende zu rüsten. Nun ist die Not groß. Mehr denn je benötigt Wärntges das von der Preisjury gepriesene strategische und taktische Geschick, um einen rettenden Hafen zu erreichen.
Das Problem: Ende Juli 2024 läuft die verbliebene Brückenfinanzierung für die VIB-Übernahme aus. Es geht um 200 Mill. Euro. Außerdem werden im laufenden Jahr 225 Mill. Euro Schuldscheindarlehn fällig. Die Liquidität reicht aber nicht aus, die Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Wärntges, die nicht nur an der Managementspitze steht, sondern als CFO auch die Finanzen verantwortet, braucht Hilfe von Fremdkapitalgebern. Verhandelt wird über längere Laufzeiten und im Falle der Brückenfinanzierung auch über eine vorläufige Aussetzung von Kreditbedingungen und "zeitnah zu erfüllenden Zahlungsverpflichtungen".
VIB-Deal kam zu spät
Die Finanznot zeigt: Wärntges hat ihre Expansion überzogen. Vor allem der 2022 abgeschlossene Erwerb der Logistikimmobilienfirma VIB Vermögen setzt ihr zu. Die 1967 geborene Managerin war bereit, sehr viel Geld auf den Tisch zu legen, um das strategische Ziel zu erreichen, die Logistiksparte auszubauen. Die Kaufofferte bewegte sich bei knapp dem Doppelten des Nettovermögenswerts (Net Tangible Assets) – eine extrem hohe Prämie. Mehr noch: Die Übernahme erfolgte spät im Immobilienzyklus. Aus heutiger Sicht zu spät. Denn die Zinsen drehten nach oben, so dass die Zeit fehlte für eine längerfristige Refinanzierung des Kaufpreises.
Aktienkurs fällt und fällt
Wie sehr sich die Großwetterlage für Wärntges verändert hat, lässt sich auch am Aktienkurs ablesen. Binnen zwei Jahren ist die Notierung um 85% abgesackt. Die Marktkapitalisierung ist auf weniger als 200 Mill. Euro kollabiert. Der Vertrauensverlust am Kapitalmarkt hängt vor allem mit dem Verschuldungsgrad zusammen, der mit 56,9% (Ende September 2023) bedenklich nahe an die in der Branche als kritisch geltende Marke von 60% herankommt. Wobei Branicks seit jeher ein aggressiveres Risikoprofil fährt als beispielsweise ein konservativer Bestandshalter, auch weil die Abhängigkeit vom Transaktionsmarkt infolge des Drittgeschäfts für fremde Investoren größer ist.
Eine der wenigen weiblichen CEOs
Wärntges leitet Branicks seit Oktober 2017. Damit ist sie eine der wenigen Frauen in Deutschland, die an der Spitze eines börsennotierten Unternehmens stehen. Ihr aktueller Vertrag läuft bis Ende Juni 2027. Die diplomierte Ökonomin gilt als Chefin, die von ihren Teams ein flottes Tempo einfordert. Von vielen anderen Immobilienmanagern hebt sie sich durch breite Branchenerfahrungen ab. Die Managerin begann als Prüferin bei EY und PwC, war dann in kaufmännischen Führungspositionen beim Anbieter von Schraubenkompressoren GHH-Rand, bei der Bekleidungsfirma MAC Mode und bei der Textilkette C&A tätig und wechselte 2011 in den Immobiliensektor, als sie in den Vorstand des Branicks-Großaktionärs Deutsche Immobilien Chancen (34,3%) aufstieg. Anfang Juni 2013 ging sie als CFO zur damaligen DIC Asset. In der Freizeit gilt ihr Interesse dem Tanzen: Wärntges ist versierte Standard-Tänzerin – samt Startberechtigung für Deutschland bei internationalen Turnieren.
Verkäufe müssen her
Den Geldbedarf über eine Kapitalerhöhung zu stillen, kommt kaum in Frage – zu groß wäre der Verwässerungseffekt für die Altaktionäre. Daher braucht Wärntges Erfolge beim Verkauf von Bestandsimmobilien, um die Schulden zu senken und den Liquiditätsspielraum zu erweitern. Damit würde die Expansion quasi rückabgewickelt. Doch Kaufinteressenten für Gewerbeimmobilien sind rar. Der Transaktionsmarkt liegt danieder, die Preise sind gefallen. Letzteres strahlt auf die Bestandsbewertung aus, die externe Gutachter ermitteln. Branicks hat Werteinbußen zwischen 4 und 7% zum Stichtag 31. Dezember in Aussicht gestellt, doch Investoren befürchten, dass die Abschreibungen höher ausfallen dürften. Der Grund: Wettbewerber Alstria hat bekannt gegeben, den Portfoliowert von 4,6 Mrd. auf 4,0 Mrd. Euro herabzusetzen – ein Rückgang um satte 13%. Die bittere Folge: Der ohnehin hohe Verschuldungsgrad steigt, da er in Relation zum Immobilienvermögen gemessen wird.