Von SAP zur "Charta der Vielfalt"

Cawa Younosi startet das Kapitel „Purpose over Profit“

Als langjähriger Personalchef war Cawa Younosi eines der bekanntesten Gesichter bei SAP, sein Abschied sorgte in der HR-Szene für ordentlich Wirbel. Diese Woche startet er als Geschäftsführer beim Arbeitgeberbündnis „Charta der Vielfalt“.

Cawa Younosi startet das Kapitel „Purpose over Profit“

Cawa Younosi startet das Kapitel „Purpose over Profit“

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Wenn Führungskräfte einen Konzern verlassen, geschieht dies in der Regel mit abgestimmter Kommunikation und möglichst geräuschlos. Ausgerechnet bei Cawa Younosi, dem langjährigen Personalchef von SAP in Deutschland und einem der bekanntesten HR-Manager der Republik, geriet der Abgang allerdings zum öffentlichen Spektakel. In Medienberichten hieß es, Beschäftigte hätten Younosi Einschüchterung und aggressives Verhalten vorgeworfen. Der Herausgeber des Branchenblatts „Personalmagazin“, das Younosi als einen der 40 führenden HR-Köpfe geehrt hat, verteidigte den Manager dagegen in einem Artikel und verwies auf andere Konfliktthemen.

So erkor SAP 2023 die Siemens-Energy-Personalmanagerin Gina Vargiu-Breuer zur Nachfolgerin von Personalvorständin Sabine Bendiek. Im Konzern sei es als problematisch angesehen worden, dass Younosi in der Öffentlichkeit als oberster Personaler wahrgenommen wurde, obwohl es dafür eine Vorstandsrolle gab, heißt es in dem Artikel. Auch in strategischen Fragen gab es offenbar Differenzen: Younosi sprach sich noch im September 2023 öffentlich für eine „Partnerzeit“ nach Geburten aus, die SAP Anfang 2024 wieder stoppte.

Corporate Influencer bei Linkedin

Im Oktober 2023 trennten sich die Wege von SAP und Younosi nach mehr als 14 Jahren. Der frühere Personalchef will Details zur Trennung nicht kommentieren, betont aber: „Ich hege keinen Groll gegen SAP.“ Die Vorwürfe aus den Medien hätten ihn getroffen, er habe aber auch viel Zuspruch erfahren, insbesondere von ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sowie Betriebsräten. Zuspruch kam auch auf dem beruflichen Netzwerk Linkedin, wo Younosi mit mehr als 100.000 Followern zu den großen Influencern zählt.

Aktiv bespielt er die Plattform seit knapp zehn Jahren, zunächst auf Wunsch von SAP und ohne allzu große Motivation, wie er einräumt. „Anfangs war ich da gar nicht so heiß drauf“, lacht der 48-Jährige. Doch mit der Zeit postete er persönlichere, kürzere Beiträge und bekam immer mehr Reaktionen. Diese Öffentlichkeit bringt er mit zum Arbeitgeberbündnis „Charta der Vielfalt“, wo er zum Monatsstart die Geschäftsführung übernommen hat.

„Anfangs war ich da gar nicht so heiß drauf.“

Cawa Younosi über seine frühen Linkedin-Aktivitäten

Die Charta versteht sich als „eine Selbstverpflichtung zu Diversity Management“ und ein Bekenntnis zu Vielfalt und zu Toleranz. Mehr als 5.000 Organisationen mit insgesamt fast 15 Millionen Beschäftigten haben sich dem als Verein organisierten Bündnis nach dessen Angaben bereits angeschlossen, darunter Dax-Konzerne, Bundesministerien, Hochschulen und Verbände.

Bildung als Schlüssel zur Integration

Younosi ist ein glaubhaftes Testimonial für die Charta. Er kam mit 13 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland, ohne Familie und ohne Sprachkenntnisse. Heute nennt er Bildung und Offenheit als wichtige Schlüssel zur Integration. „Ein großer Faktor war für mich der Zugang zur Bücherei – ich hatte vorher noch nie eine betreten“, erinnert er sich. Younosi machte Abitur und studierte Jura in Bonn. Heute engagiert er sich für die UNO-Flüchtlingshilfe. „Auch, wenn meine eigene Flucht viele Jahre her ist, die Erfahrungen ähneln sich.“ Er wünscht sich, dass Geflüchtete stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden werden, in den vergangenen Monaten hat er ein Buch über „Potenzialverschwendung“ geschrieben.

Seine Forderung: „Weniger formale Hürden und mehr Angebote für Menschen, die ein Grundrüstzeug mitbringen und dann im Betrieb weitergebildet werden.“

„In kleineren Einheiten wird oft einfach mal gemacht, während im Konzern immer noch Schleifen gedreht werden.“

Cawa Younosi über seine Zeit als PR-Praktikant

Für die neue Aufgabe bei der „Charta der Vielfalt“ war seine große Linkedin-Followerschaft „keine Einstellungsvoraussetzung, aber es hilft hoffentlich, wenn ich viele Menschen erreiche“, sagt er.

Wie die Mechanismen in der öffentlichen Meinungsbildung arbeiten, hat der HR-ler sich zuvor in der Praxis angeschaut: Als selbsternannter Praktikant heuerte er für einige Monate bei der PR-Boutique „The Trailblazers“ an, deren Co-Gründer Jannis Johannmeier er auf einer Veranstaltung kennengelernt hatte. „Ich war immer offen für vieles – allein schon deshalb, weil ich oft nicht das Privileg hatte, aussuchen zu können“, sagt Younosi über den ungewöhnlichen Schritt. „Außerdem ist eine Personalleiter-Rolle auch zu mindestens 50 Prozent Kommunikation.“ Ein Learning aus dem Praktikum: „In kleineren Einheiten wird oft einfach mal gemacht, während im Konzern immer noch Schleifen gedreht werden.“

Wiedersehen mit früheren Bekannten

Dass Younosi die Wirkweisen der PR-Welt verstanden hat, zeigt sein Linkedin-Post über den Wechsel zur Charta, den er mit „Purpose over Profit“ überschrieben hat. Gespräche mit Konzernen habe er zwar auch geführt, sagt Younosi. Aber die Konzernwelt laufe nicht weg. „Der Einsatz für Vielfalt ist aus meiner Sicht im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Umfeld dringender ist als je zuvor.“

Sein Sohn ist im Teenager-Alter und in Deutschland geboren. „Ich möchte, dass er sich hier vollkommen zugehörig fühlen kann“, sagt Younosi. Die Themen der Charta kennt er aus seiner Zeit als Personalchef, ebenso viele der Mitstreiterinnen aus Diversity & Inclusion-Abteilungen der Mitgliedsunternehmen, die er dort wieder treffen wird.

Younosis Wunsch an die nächsten Monate: „Ich möchte, dass wir Themen setzen und als Stimme der Wirtschaft auch Inhalte transportieren können.“ Als Minimalkonsens sei das Bekenntnis zur Vielfalt gut – „aber davon verändert sich noch nichts“.

Seine Zeit wird Younosi künftig zwischen seinem Wohnort Walldorf und Berlin aufteilen. Sein großes Ziel: „Kampagnen starten, die wahrgenommen werden.“ Sein großes Netzwerk dürfte dafür ein guter Start sein.