Cœuré will Innovationen anregen
Von Gesche Wüpper, Paris
Auf ihn wartet gleich eine Reihe von heiklen Aufgaben. Dazu gehört vor allem die geplante Fusion von Frankreichs größtem privaten Fernsehsender TF1 mit M6, dem zweitwichtigsten. In seiner neuen Aufgabe als Vorsitzender der französischen Wettbewerbsbehörde muss Benoît Cœuré in den kommenden Monaten sein Urteil dazu abgeben. Die geplante Hochzeit der beiden Sender sei nicht selbstverständlich, erklärte das frühere Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) vor der Wirtschaftskommission des Senats.
Schwerpunkt auf Industrie
Bei der parlamentarischen Anhörung verdeutlichte der 52-jährige Ökonom, welche Prioritäten er als Leiter der Autorité de la concurrence setzen will. Wie Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der seine Nominierung als Nachfolger der im Oktober überraschend ausgeschiedenen Isabelle de Silva befürwortet, will er einen Schwerpunkt auf die industrielle Wiedereroberung legen und mit seiner Behörde die Industriepolitik der Regierung unterstützen. Weitere Schwerpunkte sollen der Umweltschutz und die Digitalisierung sein.
Oft werde davon ausgegangen, dass die Wettbewerbshüter die Verbraucher bevorzugen und der Industriepolitik Steine in den Weg legen würden, sagte Cœuré. Seiner Ansicht nach müsse die Behörde für ein Wettbewerbsumfeld sorgen, das Innovationen anrege. „Die französische Wirtschaft muss die durch Corona verursachten Wunden heilen“, sagt er. „Sie muss ihre Wettbewerbsvorteile wiederherstellen, die sich sehr verschlechtert haben, wie unsere Handelsbilanz zeigt.“
Gleichzeitig will der bisherige Leiter des Innovation Hub der Zentralbank der Zentralbanken (BIZ) sicherstellen, dass Unternehmen keine Absprachen miteinander treffen, die die öffentlichen Finanzen belasten – etwa wie seinerzeit, als Pharmahersteller versuchten, günstigere Generika zu verhindern. Auch könne es nicht angehen, dass sich Unternehmen jetzt miteinander absprechen, um die Anwendung neuer Umweltregeln zu verzögern, betont Cœuré. Deshalb will er auch eng mit Brüssel zusammenarbeiten, wenn sich Unternehmen abstimmen, um Umweltstandards zu verbessern, gleichzeitig aber Preise erhöhen.
Was die Internetwirtschaft und die immer stärkere Dominanz von Techriesen wie Amazon, Apple, Google und Facebook angeht, dürfte Cœuré den Kurs seiner Vorgängerin fortsetzen, heißt es in Paris. Während ihres Mandats waren Apple, Google und Co zu Geldbußen verurteilt worden.
Über mangelnde Arbeit wird sich der neue Chef der französischen Wettbewerbsbehörde nicht beschweren können. Die heikelste Aufgabe dürfte für ihn zunächst die Entscheidung über die Fusion von TF1 mit M6 sein – zumal die Chancen hoch sind, dass Konkurrenten der beiden Sender sie vor dem Staatsrat anfechten. Auch wenn er sich vorsichtig dazu äußerte, wollte Cœuré bei der parlamentarischen Anhörung keine abschließende Stellungnahme zu dem Thema abgeben. Denn die entsprechenden Untersuchungen dazu laufen noch. So hat die Wettbewerbsbehörde im Herbst mit Markttests begonnen. „Ich denke, dass die Debatte nur durch Fakten, durch eine vertiefte empirische Analyse der Daten abgeschlossen werden kann“, sagt Cœuré. Dabei müsse die Wettbewerbsbehörde nicht nur auf die Auswirkungen auf die Preise, sondern auch auf die Diversität der Programme achten.