Davos-Feeling in der Wüste für Siemens-Energy-Chef Bruch
Siemens-Energy-Chef Bruch
mit Davos-Feeling in der Wüste
Von Michael Flämig, München
Wer steht für die 28. Weltklimakonferenz? Eine einzelne Person ist schwerlich zu identifizieren angesichts von Zehntausenden Teilnehmern an der COP28, die am Mittwoch endete.
Als Präsident der Veranstaltung hat der emiratische Industrieminister Sultan al-Jaber psychologisch eindrucksvoll Jo-Jo mit den Erwartungen gespielt. Die Ergebnisse wurden auf diese Weise weitgehend als Erfolg wahrgenommen, insbesondere die Verpflichtung zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 und zur Verdoppelung der jährlichen Steigerung der Energieeffizienz in diesem Zeitraum. Außenministerin Annalena Baerbock rückte ebenfalls in den Vordergrund. Sie investierte viel Zeit und avancierte aus Sicht der deutschen Öffentlichkeit zur zentralen COP-Figur.
Kaeser im Berater-Komitee
Letztlich allerdings sind jene Personen, deren Gesichter und Namen nirgendwo auftauchen, entscheidend für die zahlreichen Debatten auf der Konferenz – und vor allem die Umsetzung ihrer Proklamationen. Mit dabei: die Energiemanager. Für diesen Personenkreis steht pars pro toto Christian Bruch (53), der Vorstandsvorsitzende von Siemens Energy.
Warum? Neben den Investoren müssen die Energiemanager dafür sorgen, dass die Welt wirklich in jene Richtung marschiert, die die Politik vorgibt. Siemens Energy sieht sich hierfür prädestiniert, weil das deutsche Unternehmen viele Puzzlesteine für die Energieerzeugung liefert: von der Gasturbine über das Windrad bis zur Stromleitung.
Es ist daher kein Zufall, dass Bruchs Aufsichtsratschef Joe Kaeser (66) in das 32-köpfige Berater-Komitee der COP28 berufen worden ist – an der Seite beispielsweise von Blackrock-CEO Larry Fink (71). Vor allem aber brachte die Klimakonferenz in Dubai eine Neuerung, die die Energiemanager stärker als bisher in den Vordergrund rückte: Erstmals waren die Industrien und ihre CEOs im ganz großen Maßstab vor Ort dabei. Ein Davos-Feeling in der Wüste.
Wenn die Hütte brennt
Siemens Energy hatte sich darauf gut vorbereitet: Erst im August bezog das Unternehmen seine neuen Büroräume in den Vereinigten Arabischen Emiraten, und zwar inmitten der öffentlich zugänglichen sogenannten „Grünen Zone“ des Konferenzgebiets. So entstand ein natürlicher Treffpunkt. Vier Tage lang stand der promovierte Ingenieur Bruch, vor Ort auch seinen sonstigen CEO-Pflichten nachgehend, für die Kontakte mit Politik und Kunden zur Verfügung.
Für Bruch, der seit Mai 2020 an der Spitze von Siemens Energy steht, bildete die COP den Abschluss eines bemerkenswerten Jahres. Denn das Unternehmen wurde seit Jahresmitte weniger als Problemlöser, sondern selbst als Problem wahrgenommen. Niemand bildet dies so unerbittlich ab wie der Kapitalmarkt: Eine Gewinnwarnung des Konzernteils Siemens Gamesa und der Ruf nach Bürgschaften des Staates ließen den Aktienkurs von gut 23 Euro auf knapp 7 Euro per Ende Oktober einbrechen. Siemens Energy wurde zum Tagesschau-Thema.
Energiegeladen
Wenn die Hütte brennt, wenn Urlaub und Wochenenden entfallen, wenn die Motivation der eigenen Führungskräfte schwindet, dann hat so mancher Manager schon seine Grenzen erreicht. Als Bruch jedoch inmitten der Turbulenzen im November die Bilanz öffentlich präsentierte, zeigte der frühere Linde-Manager, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist: Energiegeladen, präzise und zugänglich warb er für die Sache des Unternehmens – und betonte, dass die Bürgschaften nichts mit Staatshilfen oder gar Beihilfen zu tun hätten.
Was bleibt? Der Aktienkurs ist mittlerweile wenigstens wieder auf gut 11 Euro gestiegen. Langfristig wichtiger ist jedoch, was Bruch schon vor ein paar Monaten mit Blick auf die COP28 und ein drastisches Hochfahren der Kapazität erneuerbarer Energien formulierte: „Solche Anstiege lassen sich nur erzielen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, regulatorische Hürden abgebaut werden und vor allem der Zugang zu enormen Mengen an Materialien gewährleistet ist.“