Der Münchner Messechef und der Schäfflertanz
Von Joachim Herr, München
Klaus Dittrich wirkt erleichtert. Endlich kann es wieder losgehen. Der Chef der Messe München erinnert daran, dass wegen der Pandemie seit März 2020 in Deutschland Messen nicht mehr stattfinden durften. „Seit 1. August dürfen wir wieder“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung. Und München startet mit zwei Premieren: Erstmals findet hier die Internationale Automobilausstellung (IAA) statt und zum ersten Mal mit einem neuen Konzept. München hatte sich gegen die letzten Wettbewerber Berlin und Hamburg durchgesetzt, nachdem der jahrzehntelange Austragungsort Frankfurt wegen eines enttäuschenden Verlaufs 2019 durchgefallen war.
Für Dittrich, 1955 in Gauting bei München geboren und seit 2010 Vorsitzender der Geschäftsführung, ist die IAA Mobility, wie die Veranstaltung nun heißt, „so etwas wie ein Leuchtturm“. Nicht nur für die Autoindustrie und die Region München, aus seiner Sicht ist sie auch ein starkes Signal für seine Branche in der Pandemie: „Messen sind in Deutschland wieder möglich.“ In der ganzen Welt seien seit Ausbruch der Pandemie mehr als 4000 Veranstaltungen abgesagt worden, berichtet Dittrich. Allein in Deutschland sei damit nach Berechnung des Ifo-Instituts ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von mehr als 40 Mrd. Euro entstanden. In München und der Region fehlten ohne Messen 3,6 Mrd. Euro im Jahr.
„Die Sehnsucht“
„Es ist wichtig, dass das Messegeschäft wieder anläuft“, sagt Dittrich und meint nicht nur die finanziellen Aspekte: „Die Sehnsucht der Menschen, sich persönlich zu begegnen, ist ganz groß.“ Freilich herrscht Vorsicht. Für den Zugang zur IAA und den Veranstaltungen in der Innenstadt gilt die 3-G-Zauberformel: geimpft, genesen oder negativ getestet. Der Messechef vertraut darauf, dass alles gut geht. „Die IAA kann so etwas wie eine Initialzündung werden.“
Dittrich, der von 1990 bis 1995 Mitglied des Stadtrats von München war, vergleicht den Neuanfang mit dem Schäfflertanz, einem alten Brauch der Stadt. Im Jahr 1517, als wieder einmal die Pest in München wütete, soll ein Schäffler beschlossen haben, die noch Lebenden mit einem Tanz zu erheitern. Schäffler nannten sich die Handwerker, die Holzfässer fertigten. Seit Jahrhunderten wird in München alle sieben Jahre mit dem Schäfflertanz an dieses Ereignis erinnert und täglich mit den Schäffler-Figuren im Glockenspiel des Neuen Rathauses am Marienplatz.
Vor dem Neuanfang hat die Pandemie im Geschäft der Münchner Messe tiefe Spuren hinterlassen. Der Umsatz ist drastisch gesunken, Folgen für das Geschäftsmodell der gesamten Branche bleiben auch nach einem Abflauen von Corona. Die Gesellschafter der Messe München, darunter der Freistaat und die Stadt, entschieden deshalb im Frühjahr, die Geschäftsführung gleich zu halbieren: von sechs auf drei Mitglieder. Die Mannschaft um Dittrich arbeitet nun am Ausbau der digitalen Veranstaltungsformate und an einer stärkeren Kundenorientierung.