Der Pate des französischen Fernsehens
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Er ist bekannt für sein stets zerzaustes Haar und seine klaren Worte. Vor allem aber trägt Nicolas de Tavernost nicht umsonst den Spitznamen „Pate der französischen Fernsehlandschaft“. Denn er hat aus M6 innerhalb der letzten 34 Jahre die zweitwichtigste private Fernsehgruppe des Landes gemacht. Nun sorgte der 70-Jährige bei der bis Ende nächsten Jahres geplanten Fusion mit der Nummer 1, der Bouygues-Tochter TF1, für die größte Überraschung. Denn trotz seines Alters soll de Tavernost die Leitung des neuen französischen Fernsehriesen übernehmen.
„Und am Ende ist es Nicolas de Tavernost, der gewinnt, der den Regeln trotzt, der die Prognosen Lügen straft“, urteilt „Le Monde“. Denn eigentlich hätte der M6-Chef an seinem 72. Geburtstag am 22. August 2022 in den Ruhestand gehen sollen. Doch M6 hat dem stürmischen Manager, dem es bereits zweimal gelungen ist, die Altersgrenze anheben zu lassen, alles zu verdanken. De Tavernost hat aus dem einst als Programm mit starkem Musikanteil gestarteten Sender einen der rentabelsten Frankreichs gemacht – erst als stellvertretender Generaldirektor, dann als Generaldirektor und seit dem Jahr 2000 als Verwaltungsratsvorsitzender. So kam M6 letztes Jahr auf eine operative Marge von 21%, TF1 dagegen nur auf 9,1%.
Der Absolvent des Institut d’études politiques in Bordeaux empfinde es als Kompliment, als knauserig und geizig bezeichnet zu werden, berichtet Medienexperte Jean-Claude Texier. Der M6-Chef hat denn auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass es für ihn wichtiger ist, dass sein Sender der meistgesehene der für die Einkäufe der Haushalte zuständigen Frauen unter 50 – der für Werbekunden in Frankreich wichtigsten Zielgruppe – ist, als der Sender mit der absolut größten Zuschauerreichweite. Dafür ging er vor 20 Jahren auch das damals in Frankreich stark kritisierte Wagnis ein, das „Big Brother“-Konzept unter dem Namen „Loft Story“ zu M6 zu holen.
Der Erbe eines Châteaus im Département Ain, der seine Karriere einst in der Öffentlichkeitsarbeit des damaligen Post- und Telekommunikationsministeriums begann, plädiert seit langem für eine Konsolidierung. Sie sei dringend notwendig, damit die französische Öffentlichkeit und Branche weiter eine führende Rolle gegenüber der sich rasant verschärfenden internationalen Konkurrenz spielen könnten, sagt de Tavernost. Denn er warnt seit Jahren, dass die Fernsehlandschaft in Frankreich zu zersplittert und dadurch geschwächt gegenüber neuen Akteuren wie Internetriesen und Streamingdiensten sei. Wenn sich der französische Markt nicht schnell konsolidiere, werde er schon bald von Amazon und Netflix plattgemacht, warnte er im Februar in einem Interview mit dem „Figaro“.