Der einflussreiche Adnoc-Chef
Adnoc-Chef Sultan Al Jaber – machtbewusst und einflussreich
Von Annette Becker, Köln
Sultan Ahmed Al Jaber, CEO von Adnoc, dem staatlichen Öl- und Gaskonzern aus Abu Dhabi, ist ein viel beschäftigter Mann. Daher verwundert es auch nicht, dass sich die Übernahme von Covestro so lange hinzieht. Mehr als 15 Monate dauerten die Verhandlungen. Seit 25. Oktober liegt das freiwillige Übernahmeangebot vor, das Covestro inklusive Schulden mit 14,5 Mrd. Euro bewertet. In Kürze nimmt Covestro zu dem Angebot Stellung, und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, sollte die Annahme der Offerte nicht empfohlen werden.
Natürlich lag es nicht nur am Adnoc-Chef, dass der Prozess so lange dauerte. So zierte sich das Management des Kunststoffherstellers über Monate, bevor im Herbst 2023 offiziell Gespräche aufgenommen wurden. Doch sorgte es bisweilen in Leverkusen auch für Stirnrunzeln, wenn sich Adnoc mal wieder lange bitten ließ, um den nächsten Schritt in den Verhandlungen zu gehen. Das lag auch an Al Jaber, der bei allen Entscheidungen das letzte Wort für sich reklamiert. Das kann man dem 51-Jährigen nicht verübeln, unabhängig davon, dass Covestro nur eines von vielen Investments ist. Immerhin sitzt Adnoc auf einer Kriegskasse von 150 Mrd. Dollar, die in den nächsten fünf Jahren investiert werden sollen.
COP28-Präsident
Dass Al Jaber über einen dicht gedrängten Terminkalender verfügt, liegt auch an seinen vielfältigen Jobs. So ist der verheiratete Vater von vier Kindern nicht nur CEO von Adnoc, sondern auch Gründer und Chairman von Masdar, einem Unternehmen aus Abu Dhabi, das weltweit in erneuerbare Energien investiert. Zudem gehört der ehrgeizige Manager seit Juli 2020 der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Industrie- und Technologieminister an, seit November desselben Jahres ist er obendrein Sondergesandter für Klimawandel. Dadurch war Al Jaber im vorigen Jahr auch als Präsident der 28. Weltklimakonferenz gesetzt, fand die COP28 doch in Dubai statt, einem der sieben Emirate der VAE.
Als Präsident der COP28 wurde er auch im Ausland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, wenngleich er in dieser Rolle nicht unumstritten war. Gerade Umweltaktivisten fragten sich, wie der Chef des zwölftgrößten Ölkonzerns der Welt glaubwürdig über den Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung verhandeln solle.
Geschäftsmann westlichen Zuschnitts
Als Vorsitzender der Klimakonferenz zeigte sich der für gewöhnlich empathische Tausendsassa aber auch dünnhäutig: Kritik an seiner Person, das bekamen Journalisten zu spüren, kommt im Herrscherhaus und damit auch bei einem seiner wichtigsten Angestellten nicht gut an. Entsprechend versuchte Al Jaber sein Bild in der Öffentlichkeit im Vorfeld der Klimakonferenz ins rechte Licht zu rücken. Dazu dient nicht nur eine persönliche Website (drsultanaljaber.com). Nach einem Bericht des „Guardian“ manipulierten Mitarbeiter Al Jabers im Vorfeld der COP28 auch den englischsprachigen Wikipedia-Eintrag zu seiner Person.
Diese weniger schönen Seiten zeigte Al Jaber bei seinem Besuch in Leverkusen jedoch nicht. Vielmehr trat „Dr. Sultan“ – wie er bisweilen genannt wird – bescheiden auf. Er reiste mit extrem kleiner Entourage und hinterließ den Eindruck eines sympathischen Geschäftsmanns westlichen Zuschnitts. Kein Wunder, besitzt Al Jaber doch einen Bachelor-Abschluss als Chemieingenieur und einen MBA-Abschuss von der University of California sowie einen Doktortitel in Wirtschaft von der Coventry University.
Platz 2 auf Forbes-Liste
Die Übernahme von Covestro durch Adnoc dürfte in Al Jabers Liste des Erreichten einen weiteren Eintrag rechtfertigen, handelt es sich doch um die erste Übernahme eines Dax-Werts durch ein Unternehmen aus den Golfstaaten. Welchen Platz Covestro am Ende in Al Jabers Prioritätenliste einnimmt, wird sich auch daran zeigen, ob der machtbewusste CEO einen Aufsichtsratsposten bei dem Neuerwerb für sich beansprucht. Zumindest auf der Forbes-Liste der einflussreichsten CEOs aus dem Nahen Osten rangiert Al Jaber auf Platz 2, hinter Amin H. Nasser, CEO von Saudi Aramco.