Gleichberechtigung

Deutsche Firmen setzen in den USA auf Frauen

Deutsche Großkonzerne holen zunehmend Frauen an die Spitze ihrer wichtigen amerikanischen Tochtergesellschaften. Der in Minneapolis beheimatete Lebensversicherer Allianz Life ernannte in dieser Woche mit Jasmine Jirele erstmals eine Vorstandschefin....

Deutsche Firmen setzen in den USA auf Frauen

Von Norbert Kuls, New York

Deutsche Großkonzerne holen zunehmend Frauen an die Spitze ihrer wichtigen amerikanischen Tochtergesellschaften. Der in Minneapolis beheimatete Lebensversicherer Allianz Life ernannte in dieser Woche mit Jasmine Jirele erstmals eine Vorstandschefin. Jirele, die bei der US-Tochter des Münchner Versicherungsriesen Allianz seit 2018 für Strategie verantwortlich ist, wird die Führung ab September übernehmen. Sie folgt auf den langjährigen CEO Walter White, der in Ruhestand geht.

In den vergangenen Jahren hatten bereits der Elektronikkonzern Siemens, die Deutsche Bank und auch der Spezialchemiehersteller Evonik erstmals Frauen die Verantwortung für das Nordamerika-Geschäft übertragen. Die Managerinnen verantworten damit einen ungemein wichtigen regionalen Bereich. Für Siemens ist Nordamerika der größte Einzelmarkt.

Die Beförderungen finden vor dem Hintergrund einer in Amerika – wie auch in Deutschland – lauter gewordenen gesellschaftlichen Debatte um Gleichberechtigung statt. Investoren, Mitarbeiter und Geschäftspartner dringen in den Vereinigten Staaten immer stärker auf Diversität und die Einbeziehung von Frauen und Minderheiten. Diese Fragen sind bei Unternehmen zu einem Topthema geworden, das nicht nur die eigene Personalstrategie betrifft. „Mir erzählen US-Kunden, dass sie Aspekte der sozialen Verantwortung in ihren Lieferketten stärker beachten wollen. Das ist eine neue Entwicklung“, berichtete Christiana Riley, seit Mitte 2019 amtierende Amerika-Chefin der Deutschen Bank, kürzlich beim Neujahrsempfang des Instituts.

Die Präsenz von Frauen in den Vorständen und an der Spitze amerikanischer Unternehmen ist generell höher als in Deutschland, wo derzeit ein Gesetzesentwurf für eine Frauenquote für Vorstände beraten wird. Nach Erkenntnissen der Beratungsgesellschaft McKinsey ist bereits ein Fünftel der Vorstandsmitglieder der 500 größten US-Unternehmen weiblich. Aktuell werden nach Angaben der Lobbygruppe Catalyst 31 Unternehmen im US-Aktienindex S&P 500 – etwas mehr als 6% – von einer Frau geführt. Dazu gehört auch Judy Marks, die 2017 von Siemens zum Aufzughersteller Otis gewechselt war. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 160 wichtigsten börsennotierten Firmen nach Angaben der Unternehmensberatung EY bei nur knapp 12%. Nur sechs Unternehmen, also knapp 4%, haben überhaupt eine Vorstandschefin – aber keines davon gehört zu den 30 Unternehmen im Dax.

Pionier Siemens

Bei ihren US-Töchtern agieren deutsche Großkonzerne wesentlich fortschrittlicher. Nach Recherchen der Börsen-Zeitung unter 15 Dax-Gesellschaften ist der Frauenanteil in deren US-Führungsgremien mehrheitlich höher als im Vorstand der deutschen Muttergesellschaft. So ist bei Allianz Life aktuell die Hälfte des zehnköpfigen „Executive Management“ weiblich. Bei der Fondsgesellschaft Pimco, einer weiteren US-Tochter der Allianz, sind mehr als ein Drittel des „Executive Committee“ Frauen – auch wenn sich Pimco derzeit Diskriminierungsklagen weiblicher Angestellter gegenübersieht. Im Münchner Vorstand der Allianz SE liegt der Frauenanteil mit 30% niedriger, ist damit aber fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt im Dax.

Pionier in Sachen Geschlechtervielfalt unter den führenden deutschen Unternehmen in den USA ist Siemens. Barbara Humpton, die seit Mitte 2018 an der Spitze steht, ist bereits die zweite weibliche CEO nach Judy Marks. Humpton ist in Amerika das Gesicht des Konzerns – auch wenn sie nicht im sechsköpfigen Gesamtvorstand des Unternehmens sitzt, in dem bislang mit Personalchefin Judith Wiese nur eine Frau vertreten ist. In der 22-köpfigen Führungsriege von Siemens USA gibt es zehn Frauen – satte 45%. Nur die Allianz Life und die von Zion Armstrong geleitete Nordamerika-Sparte des Sportartikelherstellers Adidas haben einen größeren Frauenanteil im US-Führungsgremium. Adidas kommt auf 55%.

Christiana Riley sitzt als Amerika-Chefin der Deutschen Bank zwar im Frankfurter Vorstand, gleichwohl als einzige Frau neben neun Männern. Riley ist die erste Chefin der Wall-Street-Dependance und macht keinen Hehl aus ihrem Engagement für mehr Vielfalt. Auch Riley setzt auf eine starke Präsenz von Frauen in ihrem Führungsgremium und stärkte zuletzt auch die Beteiligung von Minderheiten.

Die US-Tochtergesellschaft des Essener Spezialchemiekonzerns Evonik wird seit Juni vergangenen Jahres von der Texanerin Bonnie Tully geführt. Die ehemalige US-Finanzchefin von Evonik, die auch den größten Produktionsstandort in Mobile im Bundesstaat Alabama geleitet hatte, ist ebenfalls die erste Frau an der Spitze der US-Tochter. Nordamerika ist der zweitwichtigste Markt für das MDax-Mitglied, das in der Region fast 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Frauenanteil im US-Führungsteam liegt bei knapp 30% und damit auch etwas höher als im deutschen Vorstand.

Beim Chemiekonzern BASF ist der Frauenanteil im amerikanischen Spitzenmanagement nach Fortschritten in Deutschland mittlerweile niedriger als in der Zentrale. Mit US-Personalchefin­ Ivory Harris, die im November in den obersten Führungszirkel rückte, gehört BASF aber zu den wenigen Dax-Unternehmen in den USA mit einer afroamerikanischen Spitzenmanagerin. Ganz ohne Frauen in der Führung in Nordamerika präsentiert sich unter den größten börsennotierten deutschen Firmen nur der Autohersteller Volkswagen. Konkurrent Daimler hat mit Eva Wiese seit Februar dagegen eine Vorstandschefin bei Mercedes-Benz in Kanada – auch das eine Premiere.