Die neue Orange-Chefin ist gefordert
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie sei fast vom Stuhl gefallen, als Orange-Chef Stéphane Richard telefonisch vorgefühlt habe, ob sie Interesse habe, Generaldirektorin des Telekomunternehmens zu werden, berichtete sie der Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Ihre Antwort hat sich Christel Heydemann reiflich überlegt, zwei Monate lang. Denn sie habe nie davon geträumt, Chefin eines großen Konzerns zu werden, sagt sie. Ausgeschlossen habe sie es aber nicht. Diejenigen, die die 47-Jährige kennen, sind dennoch nicht erstaunt, dass sie am 4. April Generaldirektorin des Telekomriesen und damit zweite Chefin eines CAC-40-Konzerns nach Engie-Chefin Catherine MacGregor wird. Im Juli dann wird die designierte Veolia-Generaldirektorin Estelle Brachlianoff als dritte Frau an der Spitze eines im französischen Leitindex notierten Unternehmens dazukommen.
Heydemann, die die renommierten Ingenieurshochschulen École Polytechnique und École des Ponts et Chaussées abgeschlossen hat, war zuletzt als Executive Vice President Europa-Chefin von Schneider Electric. Nachdem sie zunächst für die Boston Consulting Group tätig war, hat die Tochter einer Universitätsprofessorin und eines Ingenieurs einen Großteil ihrer Karriere bei Alcatel-Lucent gemacht. Bei Orange sitzt sie seit 2017 im Verwaltungsrat. Und doch soll laut Medienberichten zunächst Franck Boulben, der Chief Revenue Officer von Verizon, als Favorit für die Nachfolge von Richard an der Orange-Spitze gegolten haben. Heydemann soll jedoch Wirtschaftsminister Bruno Le Maire von allen Favoriten des Nominierungskomitees am stärksten überzeugt haben.
Der französische Staat hält direkt und indirekt 23% des Orange-Kapitals und hatte damit das letzte Wort in der Frage, wer Konzernchef Richard ablösen soll. Richard hatte im November seinen Rücktritt eingereicht, nachdem er im Zusammenhang mit der sogenannten Tapie-Affäre – einem umstrittenen Schiedsspruch zum Weiterverkauf von Adidas – zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr sowie einer Geldbuße von 50000 Euro verurteilt worden war. Er wird jetzt noch so lange Vorsitzender des Verwaltungsrates von Orange bleiben, bis auch für dieses Amt ein Nachfolger gefunden ist, möglichst vor der nächsten Hauptversammlung am 19. Mai.
Bei dem Telekomkonzern muss Heydemann nun zunächst das Vertrauen der Belegschaft gewinnen, die seit der Verurteilung Richards tief verunsichert ist. Denn Richard hat Orange zwölf Jahre lang geleitet. Er habe für sozialen Frieden gesorgt und der Belegschaft wieder Vertrauen gegeben, nachdem der Konzern zuvor von einer durch brutale Managementmethoden ausgelösten Selbstmordwelle erschüttert worden war, loben französische Medien. Das ist nicht die einzige Herausforderung, die auf Heydemann bei Orange wartet. Denn die Managerin, die Trekking liebt und ein Ferienhaus auf Korsika besitzt, muss sich auch so schnell wie möglich ein Team aufbauen, dem sie vertrauen kann. Finanzchef Ramon Fernandez hatte ebenfalls als möglicher Nachfolger von Richard gegolten, die Zusammenarbeit könnte sich schwierig gestalten. Heydemann muss zudem Innovationen vorantreiben, damit Orange ihre Führung in Frankreich verteidigen kann. Sie muss aber auch die Märkte überzeugen, dass der Telekomriese die ehrgeizigen Ziele des Strategieplans einhalten kann.