Die Neuen der Assemblée Nationale
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Seine Wahl sei beunruhigend, urteilte die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ im Vorfeld. Er werde keine Hexenjagd veranstalten, versuchte Eric Coquerel deshalb sofort nach seiner Ernennung zu beruhigen. Der 63-jährige Abgeordnete der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon ist am Donnerstag im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden der Finanzkommission der französischen Nationalversammlung gewählt worden. Ein Schlüsselposten, da der Vorsitzende der Kommission Einblick in Haushaltsentwürfe und andere vertrauliche Wirtschaftsdaten hat, darunter Steuerinformationen von Unternehmen.
Seit der Verfassungsänderung von 2008 erhält die Opposition den Vorsitz der einflussreichen Finanzkommission. Für ihn hatte sich auch Jean-Philippe Tanguy vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) beworben. Die Partei von Marine Le Pen hat 89 Sitze in der Nationalversammlung, LFI 75. Der RN stellt mit Sébastien Chenu und Hélène Laporte auch zwei Vize-Präsidenten der Assemblée Nationale, dessen Vorstand mit Yaël Braun-Pivet von der kürzlich in Renaissance umbenannten Regierungspartei erstmals von einer Frau geleitet wird.
Die 51-jährige Braun-Pivet hat während der ersten Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron die für Gesetze zuständige Kommission der Nationalversammlung geleitet. Nach der Wiederwahl Macrons war sie für eine kurze Zeit Ministerin für Übersee-Départements und Gebiete. Diesen Posten legte sie jedoch kürzlich wieder nieder, um für den Vorsitz der Nationalversammlung kandidieren zu können. Die Juristin hatte zunächst als Rechtsanwältin gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann, dem L‘Oréal-Manager Vianney Pivet, und ihren Kindern für mehrere Jahre nach Taiwan, Japan und Portugal ging. Nach ihrer Rückkehr gründete sie ein Start-up in der Tourismusindustrie und begann, sich bei mehreren Wohltätigkeitsorganisationen zu engagieren.
Dem Vorstand der Nationalversammlung gehören auch Élodie Jacquier-Laforge und Naïma Moutchou von der Regierungsallianz sowie Valérie Rabault und Caroline Fiat von dem Linksbündnis an, das unter der Leitung von LFI bei den Parlamentswahlen angetreten ist. Der neue Vorsitzende der Finanzkommission Coquerel gilt als enger Vertrauter von LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon. Coquerel, der die auf Segelveranstaltungen wie den Vendée Globe spezialisierte Kommunikationsagentur Effets Mer gegründet hat, sitzt seit 2017 in der Assemblée Générale und gehört seitdem auch der Finanzkommission an. Er sei ein absolut seriöses Mitglied der Kommission gewesen, sagte der damalige Vorsitzende, Ex-Haushaltsminister Eric Woerth. Der studierte Historiker habe sich jedoch vorher nicht unbedingt einen Namen als Spezialist öffentlicher Finanzen gemacht, schrieb „Les Echos“. So sei der Politiker vor allem dafür bekannt gewesen, eine Partei intern am Laufen zu halten und bei Debatten im Fernsehen zu verteidigen.