Eurogruppe

Donohoes gutes erstes Jahr

Seit einem Jahr ist Paschal Donohoe Präsident der Eurogruppe. Für seine konsensorientierte Arbeit gibt es in Brüssel Beifall – auch wenn die Zwischenbilanz des Iren beim Thema Bankenunion durchaus gemischt ausfällt.

Donohoes gutes erstes Jahr

Von Andreas Heitker, Brüssel

Den Besuch von US-Finanzministerin Janet Yellen am Montag in Brüssel – der erste seit ihrer Amtsübernahme – und ihren Austausch mit den europäischen Finanzministern kann Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe als einen weiteren persönlichen Erfolg verbuchen. Der Ire gilt auch an der amerikanischen Ostküste als gut vernetzt und hat es so erreicht, dass Yellen nach dem G20-Treffen von Venedig noch in die belgische Hauptstadt gereist ist, um unter anderem auch noch an der Sitzung der Eurogruppe teilzunehmen.

Für Donohoe war dies auch ein kleines Geschenk zu seinem Einjährigen. Am 13. Juli 2020 hatte er den Vorsitz der Eurogruppe vom Portugiesen Mário Centeno übernommen, nachdem er sich zuvor in einer Abstimmung gegen die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño und seinen luxemburgischen Amtskollegen Pierre Gramegna durchgesetzt hatte. Wer sich heute, nach seinen ersten zwölf Monaten, im Umfeld der Eurogruppe umhört, hört nur lobende Worte über den 46-Jährigen. „Es war die perfekte Wahl“, heißt es immer wieder.

In der Gruppe der Euro-Finanzminister scheint es einen neuen Elan zu geben, was mit der offenen, aber verbindlichen und zielorientierten Arbeit Donohoes zu tun haben mag, mit der er sich von seinem eher glücklosen und durchsetzungsschwachen Vorgänger absetzt. Der Ire, der der bürgerlich-liberalen Volkspartei Fine Gael angehört und seit mittlerweile vier Jahren Finanzminister seines Landes ist, ist interessiert an den Themen und arbeitet sich intensiv in die Dossiers ein, wie es in Brüssel heißt. Der stetige Hauch von Überheblichkeit, der etwa seinen Vorvorgänger Jeroen Dijsselbloem umwehte, ist Donohoe fremd.

Bankenunion-Bilanz gemischt

Im Gegenteil: Er bemüht sich um eine möglichst breite und transparente Einbindung der Beteiligten in die operative Arbeit der Eurogruppe. Donohoe hatte zu seinem Amtsantritt angekündigt, ein „Brückenbauer“ sein zu wollen, und hatte viel von einem „gemeinsamen Handeln“ gesprochen. Bisher bemüht er sich redlich, dieses Versprechen auch umzusetzen.

Donohoe, der einen Abschluss in Politik und Wirtschaft der Universität Dublin vorweisen kann, hatte im vergangenen Jahr allerdings gleich ein Thema ganz nach oben auf seine Agenda gesetzt, das auch ein großer Stresstest für seine konsensorientierte Arbeit ist: die Vollendung der Bankenunion. Seine Bilanz fällt hier nach einem Jahr gemischt aus.

Den europäischen Staats- und Regierungschefs hatte er im Juni beim jüngsten Euro-Gipfel berichten müssen, dass sich die Finanzminister trotz seines verstärkten Bemühens nicht auf eine neue, detaillierte Roadmap für die Bankenunion hatten einigen können. Die prinzipiellen Meinungsunterschiede bei den Themen Einlagensicherung, Staatsanleihen und Krisenmanagement waren auch für den Brückenbauer Donohoe noch ein ganzes Stück zu groß gewesen. Bis Dezember will er nun noch einmal einen neuen Anlauf für einen solchen Arbeitsplan nehmen.

Auf der anderen Seite ist es unter seiner Führung zumindest gelungen, die ESM-Reform vom Eis zu bekommen und damit auch den Backstop zum Bankenabwicklungsfonds SRF zu beschließen. Wenn der Ratifizierungsprozess weiterhin wie geplant läuft, wird der Backstop Anfang 2022 eingeführt. Und die Bankenunion erhält damit ein weiteres Sicherheitsnetz für den Krisenfall.

Bis Jahresende steht neben der Bankenunion vor allem die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone ganz oben auf der Agenda von Donohoe. Er selbst sieht die Eurogruppe an zentraler Stelle, wenn es darum geht, die fiskalischen Maßnahmen zu koordinieren und Hilfsprogramme wie etwa den EU-Wiederaufbaufonds effektiv umzusetzen. Dass die Unsicherheiten in der Wirtschaft vor allem durch neue Virusvarianten nach wie vor hoch sind, ist dem Präsidenten der Eurogruppe klar. Die Rückkehr zur Normalität erfordert auch sein Fingerspitzengefühl.