Ekosem-Agrar braucht einen neuen Finanzchef
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Der schwer angeschlagene Agrarkonzern Ekosem muss sich einen neuen Finanzvorstand suchen. Denn Amtsinhaber Wolfgang Bläsi verlässt das Unternehmen zum Jahresende. Mit dem Aufsichtsrat habe er sich auf ein Ausscheiden verständigt, teilt Ekosem-Agrar mit. Zur Erklärung wird auf „persönliche Gründe“ verwiesen. Ekosem bedauert den Weggang des CFO und kündigt eine zeitnahe Neubesetzung an. Bläsi werde künftig als Berater für das Unternehmen arbeiten.
Der 1968 in Offenburg geborene Manager hat aufreibende Monate hinter sich. Denn der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führte zu einer akuten Finanzkrise des ohnehin hoch verschuldeten Unternehmens. Die deutsche Holding der Ekoniva-Gruppe, die zu den größten Agrarkonzernen Russlands gehört, drohte zwischen westlichen Sanktionen und russischen Gegenmaßnahmen zerrieben zu werden.
Bläsi gelang eine finanzielle Restrukturierung: Die Gläubiger der beiden in Deutschland emittierten Hochzinsanleihen stimmten zu, die Jahreszinssätze auf 2,5% zu senken und die Laufzeit um jeweils fünf Jahre zu verlängern. Die Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem verringerten Zins soll am Laufzeitende nachgezahlt werden.
Wie Bläsi auf Anfrage erläutert, müsse der Ekosem-CFO eigentlich in Russland angesiedelt sein. Das aber entspreche nicht seiner Lebensplanung. Mit dem Unternehmenswachstum sei die Finanzierung aus Russland heraus immer größer geworden. Gesucht wird nun ein Finanzchef mit ausgewiesener Russland-Erfahrung in größeren Unternehmen, der die russische Sprache beherrscht.
Mit Novasoft an die Börse
Bei Ekosem, die ihren Sitz in Walldorf hat, ist Bläsi seit gut zehn Jahren an Bord. Von Dezember 2011 bis Oktober 2016 war er Geschäftsführer (CFO) der Ekosem-Agrar GmbH. Dann gehörte er knapp zwei Jahre dem Beirat an. Mit dem Rechtsformwechsel in eine Aktiengesellschaft wechselte Bläsi im August 2018 in den Vorstand und fungierte wieder als CFO. Ziel war ein Börsengang in Deutschland, aus dem aber nichts wurde. Von Februar 2013 bis Oktober 2016 war er darüber hinaus CFO der Ekosem-Schwestergesellschaft Ekotechnika. Im Sommer 2016 gründete Bläsi die Finanzberatung WB Finance, die unter anderem auf Restrukturierungen spezialisiert ist. Ekosem werde ein Hauptthema für ihn bleiben, sagt Bläsi. Die Beraterrolle sei ernst gemeint.
Nach Ausbildung in der Finanzverwaltung und Studium begann Bläsi seine Karriere als Trainee bei Hubert Burda Media. Am Kapitalmarkt machte er zunächst mit dem von ihm vorbereiteten Börsengang des Neuer-Markt-Unternehmens Novasoft auf sich aufmerksam. Bei dem SAP-Beratungshaus war er acht Jahre als Leiter Rechnungswesen und Kommunikation und später als CFO tätig. Nach einer Station als geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmensberatung ging er 2009 als CFO zur börsennotierten KTG Agrar, die später (2016) pleiteging.
Bei Ekosem hinterlässt Bläsi offene Themen, die wohl jeder CFO als misslich empfinden wird, die aber der Situation in Russland geschuldet sind. So bezieht sich der letzte Unternehmensbericht auf den 30. Juni 2020. Die Jahresabschlüsse für 2020 und 2021 stehen noch immer aus. Zunächst verzögerten Auseinandersetzungen mit der russischen Landwirtschaftsbank, einem wichtigen Geldgeber, den 2020er Bericht. Im März machte dann der Abschlussprüfer Ernst & Young geltend, dass die Prüfung aufgrund der aktuellen politischen Lage nicht abgeschlossen werden könne. Gleiches gelte damit auch für den Geschäftsbericht 2021, ergänzt Ekosem.
Laut vorläufigen Zahlen kam das Unternehmen im vergangenen Jahr auf 583 Mill. Euro Umsatz, ein Plus von 26% gegenüber 2020. Ekosem bezeichnet sich als größter Milchproduzent Russlands und führender Saatguthersteller des Landes. Gründer, Vorstand und Hauptaktionär ist der Agrarunternehmer Stefan Dürr.