Erste Feuerprobe für DHL-Vorstand Tobias Meyer
Die erste Bilanzvorlage wird gleich zur Feuerprobe
Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt
Des einen Freud ist des anderen Leid, lautet ein Sprichwort. Frank Appel (Jahrgang 1961), der Vorgänger von Dr. Tobias Meyer (Jahrgang 1975) als Vorstandschef der DHL Group (vormals: Deutsche Post DHL Group), konnte in den letzten drei Jahren seiner Tätigkeit im Logistikkonzern, die mit der Hauptversammlung im Mai vorigen Jahres endete, von Umsatz- und Gewinnsprüngen berichten, die oft selbst die optimistischen Analystenschätzungen übertrafen. Auslöser des steilen Aufwärtstrends war die Corona-Pandemie, die in mehrfacher Hinsicht dem Geschäft förderlich war. So schoss weltweit das Volumen der Paketsendungen dank des boomenden Online-Handels in die Höhe, und die Frachtraten im Luftverkehr vervielfachten sich, was dank der mehr als 300 Flugzeuge, die DHL gehören, zu sprunghaft steigenden Ergebnissen führte.
Goldene Zeiten vorerst vorüber
Doch die Zeit des prozentual stark wachsenden E-Commerce ist zumindest vorerst vorbei; stattdessen ist Konsolidierung auf hohem Niveau angesagt. Ebenso haben sich die Frachtraten längst normalisiert. So hat Meyer, wenn er an diesem Mittwoch die Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 vorlegt, einen ungleich schwierigeren Stand als Appel vor Jahresfrist.
Nicht, dass es der Gruppe schlecht ginge und Meyer gramgebeugt vor Medienvertretern erscheinen müsste. Mit Vorlage der Neunmonatszahlen hatte DHL Anfang November zwar die anfangs drei makroökonomischen Szenarien für 2023 – die mit unterschiedlichen Ebit-Prognosen verbunden waren – auf zwei reduziert, weil die Hoffnung auf eine Erholung der globalen Konjunktur mit Beginn der zweiten Jahreshälfte längst obsolet geworden war. Doch auch die verbleibenden Prognosen stehen für Milliardengewinne: So wurde für den Fall einer Erholung der Weltwirtschaft zum Jahresende ein operatives Ergebnis von rund 6,6 Mrd. Euro in Aussicht gestellt und für den Fall einer ausbleibenden nennenswerten Erholung ein Ebit von mindestens 6,2 Mrd. Euro. Die Konsensschätzung der Analysten gibt DHL mit 6,43 Mrd. Euro an, nach einem operativen Gewinn von 8,44 Mrd. im Jahr 2022.
Bund hat Anteil von 20,5 auf 16,5 Prozent reduziert
Neben dem Zahlenwerk wird Meyer auf Fragen zum zuletzt abgebauten Anteil des Bundes, der Anfang Februar über die KfW von 20,5% auf 16,45% gegangen ist, vorbereitet sein. Kaum der Vorbereitung bedarf der promovierte Maschinenbauer, selbst wenn es um Details des operativen Geschäfts geht, denn damit ist er nicht zuletzt aufgrund früherer Erfahrungen bestens vertraut. So verantwortete der heutige CEO die Division Post & Paket Deutschland – das einstige Kerngeschäft der Deutschen Post und seit vielen Jahren das Sorgenkind im Konzern – als Vorstandsmitglied von 2019 bis Juni 2022, bevor er als avisierter Vorstandschef für ein knappes Jahr Global Business Services leitete. Auch mit dem Speditionsgeschäft ist der passionierte Segelflieger, der nach eigener Aussage aber nur noch selten zu seinem Hobby kommt, bestens vertraut, war er doch von 2015 bis 2018 COO des Geschäftsfeldes DHL Global Forwarding. Kennzeichnend für seine Jahre bei DHL ist, dass er gravierende Probleme, mit deren Lösung er mehrfach betraut wurde, mit mutigen, teils unpopulären Maßnahmen löste.
Angebot für Schenker?
In puncto M&A wird Meyer u.a. entscheiden müssen, ob DHL die Deutsche-Bahn-Logistiktochter Schenker ins Visier nimmt, die ins Schaufenster gestellt wurde. Die Frist für indikative Gebote für Schenker soll, wie aus Marktkreisen zu hören ist, Ende dieses Monats ablaufen.
Tobias Meyer ist seit Mai 2023 Vorstandschef der DHL Group. Vor seiner Zeit bei dem Logistikkonzern war der promovierte Maschinenbauer bis 2013 für die Beraterfirma McKinsey tätig.