Es gibt Suppe vom Chef
„Sie werden sich fragen, wer ich bin und wieso ich so rumlaufe,“ begrüßte kürzlich ein in einen blauen Hoodie mit rotem Tui-Logo gekleideter Mann die Passagiere an Bord einer Tuifly-Maschine auf der Reise nach Fuerteventura. Sein Name – er stellte sich anschließend vor: Sebastian Ebel, Chef des Reisekonzern. „Sie haben Glück, Sie fliegen in Urlaub, ich gehe zur Arbeit“, fügte Ebel hinzu. Um anschließend beherzt beim Service an Bord mitzuhelfen.
Ebel räumt Pullover in die Gepäckfächer, kassiert beim Bordverkauf ab und bringt auch mal heiße chinesische Nudelsuppe zu einem Reisenden. „Sind Sie versorgt? Wenn nicht, wenden Sie sich an den Chef“, kommentiert das die Purserin, die nicht von Ebels Seite weicht, um einzugreifen, wenn etwa das Kartenlesegerät zickt. „Er macht das großartig, nur an der Geschwindigkeit müssen wir noch arbeiten.“
In Flugbegleiter-Uniform
Dass Manager die Büroschuhe aus- und Turnschuhe anziehen, ist lange schon Standard. Manch einer verzichtet mittlerweile auch tageweise auf Anzüge und taucht in Jeans und Hemd im Büro auf, in Blaumännern werden die Damen oder Herren aber eher selten gesichtet. Das ist in der Luftfahrt-Branche anders. Im vergangenen Sommer ging der Chef der Lufthansa Airlines, Jens Ritter, in Flugbegleiter-Uniform auf Reisen und unterstützte die Kollegen an Bord beim Austeilen von Tomatensaft. Auch die Chefs von KLM und Air France waren bereits als Flugbegleiter unterwegs. Im Sommer 2022, als an deutschen Flughäfen Chaos herrschte, half die Führungsmannschaft des Frankfurter Flughafens schon mal beim Gepäckverladen aus. In der Tuifly-Maschine brachte Konzern-CEO Ebel Suppe, anschließend teilte Airline-Chef Michael Garvens den Sekt aus.
Natürlich schaffen die Manager dabei nicht wirklich was weg, es geht schon viel um Symbolik. Nicht umsonst witzelt man bei Tui hinter vorgehaltener Hand über Ebel, der dürfe das nur, wenn der Flug länger dauert, sonst bringt er den auf kurzen Strecken straffen Zeitplan durcheinander. Ist halt nicht geübt im Verteilen von belegten Brötchen und Kaffee, der Herr über mehr als 65.000 Tui-Mitarbeitende.
Gute Noten
Essen verteilte Alexis von Hoensbroech kürzlich zwar auf einem Flug zwischen Calgary und Ottawa nicht. Allerdings begrüßte der Chef der kanadischen Airline WestJet die Fluggäste persönlich, erklärte ihnen, dass er auf dem Weg zu einem Treffen mit Politikern sei, um über die kanadische Luftfahrt zu sprechen, und forderte die Passagiere auf, ihn an seinem Platz in Reihe 13 gerne zu besuchen – „erzählen Sie mir gute, aber auch schlechte Stories.“ Er verteilte Lob für Crew und Cockpitbesatzung und bat die Gäste „seien Sie nett zu meinen Kollegen!“ Für seinen Auftritt über den Wolken erhielt der ehemalige Lufthansa-Manager durchweg gute Noten. „Zusätzliche Kosten: Null. Die Auswirkungen auf Kollegen, Kunden und die Marke: unbezahlbar. Das Schaffen der richtigen Geschichten und Erinnerungen: erledigt“, kommentierte einer auf der Plattform LinkedIn.
Der Wettbewerb im weltweiten Luftverkehr ist hart, da zahlt es sich aus, etwas für die Kundenbindung zu tun. Zumal, wenn man wie europäische oder auch amerikanische Airlines bei Ticketpreisen und Angebot etwa gegen die Konkurrenz aus dem Mittleren Osten kaum punkten kann. Bei der Lufthansa haben vor allem die Top-Kunden einen guten Draht zur Führungsmannschaft. Für ihre wichtigsten Passagiere, die sogenannte HONs, werden eigene Veranstaltungen angeboten, bei denen sich die Vielflieger auch mal mit dem Vorstand austauschen können.
Hoensbroech (54), der in seiner Zeit bei Lufthansa als möglicher Kandidat für den Konzernvorstand galt und vor seinem Wechsel nach Kanada 2022 die Tochter Austrian Airlines führte, wurde jedenfalls von den Passagieren für seinen Auftritt mit Applaus bedacht. Um Kundenbindung herzustellen, dürfte eine Ansprache wie seine wirkungsvoller sein als ein Auftritt als Flugbegleiter – im Zweifelsfall werden die Gäste den verkleideten Manager gar nicht erkennen. Tui-Chef Ebel (61), dessen Vertrag gerade bis 2028 verlängert wurde, hat beides kombiniert und dürfte deshalb bei den Passagieren in Erinnerung bleiben.