LDP-Vorsitzender

Ex-Banker Fumio Kishida soll Japan führen

Mit Fumio Kishida übernimmt ein Parteisoldat der „alten Garde“ die Führung der LDP nach dem Rücktritt von Yoshihide Suga. Kishida will ein Konjunkturpaket auflegen und an der Nuklearenergie festhalten.

Ex-Banker Fumio Kishida soll Japan führen

mf

Japans regierende Liberaldemokraten (LDP) haben Fumio Kishida (64) zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Am 4. Oktober wird ihn das Parlament zum 100. Premierminister von Nippon wählen. Danach zieht er als klarer Favorit in die Parlamentswahl, die im November stattfinden dürfte. Kishida folgt auf Yoshihide Suga (72), der nach heftiger Kritik an seinem Management während der Coronavirus-Pandemie nicht mehr zur Wiederwahl als Parteichef antrat und dadurch nur ein Jahr im Amt blieb.

Seinen Sieg gegen drei Rivalen, darunter erstmals zwei Frauen, verdankte Kishida in erster Linie der „alten Garde“ der LDP um Ex-Regierungschef Shinzo Abe und Finanzminister Taro Aso. Diese Königsmacher, die vor einem Jahr schon Suga auf den Thron gehoben hatten, unterstützten Kishida hinter den Kulissen, um den bei Wählern und Parteivolk populären Reform- und Impfminister Taro Kono (58) zu verhindern. Nach ihrem Geschmack achtet der Atomkraftkritiker zu wenig auf Parteidisziplin und weicht zu sehr von der nationalkonservativen Linie der Liberaldemokraten ab.

Auch Kishida gehört zum Establishment der LDP, die Japan seit 1955 fast ununterbrochen regiert. Schon der Vater und der Großvater saßen im Parlament. Nach fünf Jahren bei der heutigen Shinsei Bank zog er 1993 ins Parlament ein und leitet heute eine Parteifaktion mit 46 Mitgliedern. Er diente Abe viereinhalb Jahre lang als Außenminister, zuletzt hielt er einen der drei höchsten Parteiposten. Daher steht er im Wesentlichen für Kontinuität. Ein „moderater, erfahrener Politiker ohne große Fehltritte, aber auch ohne große Erfolge“ – so beschrieb ihn der Politologe Masato Kamikubo von der Universität Ritsumeikan in Kyoto.

„Neuer Kapitalismus“

Unmittelbar nach seiner Wahl kündigte Kishida an, bis zum Jahresende ein Konjunkturpaket zu schnüren. In seiner Wahlplattform hatte er das Volumen mit 30 Bill. Yen (231 Mrd. Euro) beziffert. Allerdings will der designierte Premier die Wirtschaftspolitik der Abenomics mit ihrer expansiven Geld- und Fiskalpolitik korrigieren. Den Neoliberalismus der vergangenen 20 Jahre soll ein „neuer japanischer Kapitalismus“ ersetzen. „Nur Wachstum, Deregulierung und Strukturreformen führen nicht zu realem Glück“, meinte Kishida.

Daher soll die LDP die Einkommen der Bürger während der Regierungszeit von Kaiser Naruhito verdoppeln. Einer seiner Vorschläge: Wenn Unternehmen höhere Löhne zahlen, sollen sie steuerlich entlastet werden. Außerdem will Kishida kleine und mittlere Firmen besser vor der Marktmacht der Konzerne schützen. „Unternehmen mit vielen Zulieferern sollten aufpassen“, meinte Junichi Makino, Chefökonom des Brokerhauses SMBC Nikko.

Auch andere Programmpunkte des bescheidenen Kishida erfordern eine expansive Fiskalpolitik, darunter ein universitärer Stiftungsfonds von 10 Bill. Yen (77 Mrd. Euro) für Forschung und Technologieentwicklung sowie sein Zukunftskonzept eines „digitalen Gartenstadt-Staates“. In­vestitionen in Hochtechnologien wie autonomes Fahren sollen die ländlichen Regionen wiederbeleben. Wie Abe und anders als Kono hält Kishida an der Nuklearenergie fest. Mit Blick auf die versprochene Klimaneutralität bis 2050 fordert er eine „realistische Bewertung“ des Neubaus von Atomreaktoren.