Zahlungsabwickler

Ex-Vorstände von Wirecard wagen Neustart

Nach dem Zusammenbruch von Wirecard sind die Ex-Vorstände Alexander von Knoop und Susanne Steidl neue Wege gegangen. Im Strafprozess gegen den Ex-CEO dürften beide als Zeugen geladen werden.

Ex-Vorstände von Wirecard wagen Neustart

Von Stefan Kroneck, München

Dass der Name Wirecard in Lebensläufen von ehemaligen Konzernmitarbeitern nicht gerade von Vorteil ist für den weiteren beruflichen Werdegang, versteht sich wohl von selbst. Von den ehemaligen vier Vorstandsmitgliedern des im Frühsommer 2020 nach einem aufgedeckten Bi­lanzloch in Milliardenhöhe pleitegegangenen Zahlungsabwicklers muss sich eines demnächst vor Gericht verantworten, ein anderes befindet sich auf der Flucht vor den Strafverfolgern und zwei sind auf freiem Fuß.

Gegen den Firmengründer und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun (53) sowie zwei weitere Ex-Manager des Unternehmens steht der Prozess vor dem Landgericht München an. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Tatverdächtigen gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Un­treue und unrichtige Darstellung und Marktmanipulationen in mehreren Fällen vor.

Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Jan Marsalek hält sich derweil in Russland versteckt. Die Behörden in Moskau lieferten den 42-jährigen Österreicher bisher an die deutsche Justiz nicht aus. Marsalek steht angeblich unter dem Schutz des russischen Geheimdienstes FSB.

Der gebürtige Wiener Braun sitzt seit Juli 2020 in Untersuchungshaft. In der bevorstehenden langen Hauptverhandlung in einem der bisher größten Wirtschaftskriminalfälle der Bundesrepublik Deutschland dürften auch zwei Personen eine Rolle spielen, die nach bisherigem Stand in den Zeugenstand gerufen werden dürften. Ihre Aussagen vor der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer könnten eventuell zur Aufklärung der Causa beitragen. Dabei handelt es sich um den ehemaligen Finanzvorstand Alexander von Knoop (50) und um die Ex-Produktvorständin Susanne Steidl (51).

Nach der Kündigung ihrer Dienstverträge durch den Insolvenzverwalter Michael Jaffé im Spätsommer 2020 waren beide gezwungen, neue berufliche Wege einzuschlagen. Nach dem Bilanzskandal konnte der Deutsche in der Finanzwirtschaft aber nicht mehr Fuß fassen. Mittlerweile betreibt von Knoop mit seiner Frau in Deisenhofen im Umland von München ein Weinhandelsgeschäft. Dessen Schwerpunkt sind Edeltropfen aus Österreich.

Seine aus Tirol stammende Ex-Kollegin Steidl traf es beruflich derweil weniger hart. Nach einem Eintrag von Linkedin ist sie als Unternehmensberaterin und Produktchefin für die Compugroup Medical SE & Co. KGaG tätig.

Keinen Durchblick gehabt

Dieser Unterschied mag vor allem daran liegen, dass Steidl kraft ihres Verantwortungsbereichs bei Wirecard weniger im Kreuzfeuer der Kritik stand als der Ex-CFO, der aufgrund seiner Position verantwortlich war für die Bilanzierung beim ehemaligen Dax-Aufsteiger aus Aschheim bei München.  Medienberichten zufolge hat auch die Staatsanwaltschaft gegen beide wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.

Ob diese Untersuchungen der Strafverfolger andauern oder eingestellt wurden, ist nicht bekannt. Fakt ist, dass das Duo nicht mit auf der Anklagebank vor dem Landgericht sitzt. Das lässt darauf schließen, dass sowohl von Knoop als auch Steidl aus Sicht der Strafjustiz nicht zu den Hauptverdächtigen zählen. Von Knoop bestritt stets, an den Machenschaften beteiligt gewesen zu sein. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Wirecard präsentierte er sich als ein Manager, der von nichts wusste. Von den Drittpartner-Geschäften in Asien, die sich später als Luftbuchungen herausstellten, will er nach eigenen Aussagen keine Kenntnisse gehabt haben. Marsalek soll diese (dubiosen) Geschäfte verantwortet haben.

Ein Rückblick: Ende 2019 gab von Knoop, als er seinerzeit noch als CFO fungierte, sich zuversichtlich, dass die Sache sich aufklären werde und der Fall zugunsten von Wirecard ausgehe. Zur Erinnerung: Damals hatte der als Aufräumer angetretene Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann (57), einst Finanzvorstand der Deutschen Börse, die Wirtschaftsprüfer von KPMG damit beauftragt, die Bücher des Konzerns auf Ungereimtheiten zu durchleuchten, nachdem die „Financial Times“ zuvor mehrmals schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben hatte. Den im Frühjahr 2020 veröffentlichten Er­gebnissen von KPMG zufolge erwiesen sich die Recherchen der britischen Tageszeitung als richtig und als Spitze des Eisbergs.

Der nach Brauns Rücktritt von Eichelmann als Nachfolger eingesetzte kurzweilige CEO James Freis soll schnell zu der Erkenntnis gelangt sein, dass Wirecard in großem Umfang die Bilanzen manipulierte. Die Abschlussprüfer von EY verweigerten daraufhin das Testat für 2019.

Seltsam mutet dabei an, dass der US-Jurist und Bilanzfachmann Freis in nur wenigen Tagen durchschaute, was von Knoop nie bemerkt haben will. Der Bilanzexperte und Unternehmensberater war von Anfang 2018 bis Herbst 2020 Finanzvorstand von Wirecard. Insgesamt war der Manager 15 Jahre für Wirecard tätig gewesen. Jaffé soll ihn auf Schadenersatz verklagt haben.

Von Knoop war in der Position des CFO auf den langjährigen Amtsinhaber Burkhard Ley (63) gefolgt. Der Sparkassenbetriebswirt aus Solingen ging seinerzeit in den Ruhestand. Ermittlungen gegen ihn stellte die Staatsanwaltschaft aus Mangel an Verdachtsgründen ein.

Steidl gehörte wie von Knoop dem Wirecard-Vorstand von Anfang 2018 bis Herbst 2020 an. Wie Marsalek war sie in ihrer Funktion auf Bilanzpressekonferenzen des Unternehmens nie anwesend.