Dieselskandal

Ex-VW-Chef Winterkorn weist Vorwürfe im Strafprozess zurück

Drei Jahre später als ursprünglich geplant hat am Landgericht Braunschweig der Strafprozess im Dieselskandal gegen Martin Winterkorn begonnen. Der frühere VW-Konzernchef weist die Vorwürfe zurück.

Ex-VW-Chef Winterkorn weist Vorwürfe im Strafprozess zurück

Ex-VW-Chef Winterkorn weist Vorwürfe im Strafprozess zurück

Von Carsten Steevens, Braunschweig

Gut zehn Minuten vor Prozessbeginn betritt Martin Winterkorn humpelnd in dunklem Anzug den von Sonnenlicht erhellten Saal 141 des Landgerichts Braunschweig. Fast genau neun Jahre nach den in den USA aufgedeckten Abgasmanipulationen von Volkswagen stellt sich der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Wolfsburger Autobauers an diesem Dienstag erstmals einem Strafverfahren im Zusammenhang mit „Dieselgate“. Fotografen und Kamerateams nehmen ihn von den Zuschauerplätzen aus ins Visier, auch Vertreter ausländischer Medien sind zugegen. Doch die Zahl der Prozessbesucher, die wie die Presseleute hinter einer Glastrennwand Platz genommen haben, hält sich mit etwa zwei Dutzend in Grenzen.

Das Strafverfahren beginnt drei Jahre später als geplant. Ursprünglich hätte der Prozess gegen den von Anfang 2007 bis zum 25. September 2015 amtierenden Konzernchef wegen bandenmäßigen Betrugs bereits am 16. September 2021 starten sollen. Er wurde jedoch wegen der angeschlagenen Gesundheit und festgestellter Verhandlungsunfähigkeit des inzwischen 77-Jährigen vom Verfahren gegen vier weitere ehemalige Führungskräfte von Volkswagen abgetrennt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Nun muss sich „Wiko“, wie er im Wolfsburger Mehrmarkenkonzern früher genannt wurde, wegen Vorwürfen aus drei Anklagen aus den Jahren 2019 und 2021 verantworten, die mittlerweile zu einem Verfahren verbunden wurden und gemeinsam verhandelt werden. Angesetzt sind 89 Termine bis September 2025.

Drei Anklagen verbunden

Um kurz nach elf Uhr startet der Prozess mit der Begrüßung durch den Vorsitzenden Richter der 16. Strafkammer am Landgericht Braunschweig, Johannes Mühe. Kurz nach Vereidigung von vier Schöffen und der Vorstellung der weiteren Prozessbeteiligten beginnt der erste der drei anwesenden Staatsanwälte, Andy Belke, mit der Verlesung der Anklageschrift im sogenannten NOx-Verfahren. Die über 90 Minuten andauernde Schilderung, wie bei VW über rund zehn Jahre hinweg ein System entstand, das Käufer bestimmter Dieselfahrzeuge aus dem Konzern über deren Beschaffenheit täuschte, hat gerade begonnen, da verbreiten Nachrichtenagenturen bereits eine erste Stellungnahme von Winterkorn-Anwalt Felix Dörr: Sein Mandant weise die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entschieden zurück.

In dem Prozess geht es neben dem Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs um den Vorwurf der uneidlichen Falschaussage vor einem Bundestags-Untersuchungsausschuss im Januar 2017 sowie um den Vorwurf der Marktmanipulation. Der ehemalige VW-Konzernchef soll trotz Kenntnis vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Dieselmotoren den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig informiert haben.

„Keines Fehlverhaltens bewusst“

Winterkorn war wenige Tage nach der Bekanntmachung durch die US-Behörden EPA und CARB, dass der VW-Konzern bei Abgastests von Dieselfahrzeugen manipuliert und gegen amerikanische Umweltgesetze verstoßen habe, von seinem Posten als VW-Chef zurückgetreten. Er „tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin“, hieß es damals in einer von VW verbreiteten persönlichen Erklärung. Den Vorwurf der strafrechtlichen Verantwortung hat Winterkorn, der in München lebt, seitdem von sich gewiesen.

Strafen und andere Zahlungen im Zuge von „Dieselgate“ haben VW mit mehr als 32 Mrd. Euro belastet. Winterkorn, so Anwalt Dörr zum Auftakt des Braunschweiger Prozesses, sei weder der „Hauptangeklagte“ noch der „Hauptverantwortliche“ für den Dieselskandal. Allein seine Stellung als damaliger Vorstandschef rechtfertige nicht, ihn in dieser Weise zu qualifizieren und für das Thema „Dieselmotoren“ in allen Facetten verantwortlich zu machen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis für unseren Mandanten gelangen werden“, sagt Dörr, einer von vier anwesenden Verteidigern. Winterkorn habe nicht betrogen und niemanden geschädigt, er habe den Kapitalmarkt nicht gezielt im Unklaren gelassen, so dass Anleger geschädigt würden, und er habe auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss nicht die Unwahrheit gesagt.

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