Für Claudia Kellert ist Investor Relations eine Berufung
Für Kellert ist Investor Relations eine Berufung
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Verlässlichkeit und Offenheit – das sind zentrale Leitlinien für Claudia Kellert. Die Investor-Relations-Chefin von SGL Carbon hat im Hinterkopf, dass der Kohlefaserspezialist in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten so manche schwere Enttäuschung produziert hat. „Jetzt halten wir, was wir versprechen. Wir sagen, wenn es schwieriger wird, und was wir dagegen tun. Dass die Carbonfasersparte Verluste macht, haben wir ehrlich nach außen kommuniziert“, sagt Kellert.
Restrukturierung miterlebt
Als die gebürtige Kölnerin vor dreieinhalb Jahren zu SGL kam, war die Stimmung am Boden: „Die Investoren haben uns ihre Wunden und Narben gezeigt. Das ging bis zur Beschimpfung.“ Der Ende 2024 ausscheidende CEO Torsten Derr und Finanzvorstand Thomas Dippold, der seinen Vertrag um fünf Jahre verlängert hat, mussten das Unternehmen strukturell und kostenmäßig neu ausrichten. Das Führungsduo zog eine grundlegende Restrukturierung durch und stellte SGL finanziell auf stabile Beine.
SGL ist heute viel breiter aufgestellt und extrem komplex.
Claudia Kellert, SGL
„Wichtigste Aufgabe ist zu erklären, was sich seit 2020 geändert hat“, sagt Kellert. Viele hielten SGL immer noch für einen Autozulieferer. Doch von der Vision, dass Carbonfasern die Zukunft des Fahrzeugbaus seien, habe sich das Unternehmen längst verabschiedet. Der Autokonzern BMW hat die Produktion des i3 eingestellt, dessen Außenkarosserie aus Carbonfaser-Composites gefertigt wurde. „SGL ist heute viel breiter aufgestellt und extrem komplex“, sagt Kellert. „Wir sind der Spezialist für kohlenstoffbasierte Lösungen. Viele unserer Produkte sieht man nicht. Da müssen wir viel Aufklärung leisten.“
Dream Team
Im Innenverhältnis sei ihr Job, den Blick des Kapitalmarkts in den Vorstand zu tragen. Mit dem neuen Vorstandschef Andreas Klein – „eine tolle interne Lösung“, wie Kellert glaubt – werde sich in der Zusammenarbeit wenig ändern. Beide kennen sich gut, denn Klein leitet seit Oktober 2023 den größten Geschäftsbereich Graphite Solutions. Dennoch sieht die 55-Jährige den CEO-Wechsel schon auch mit einem weinenden Auge: „Derr und Dippold, das war ein Dream Team. Sowohl fachlich als auch menschlich.“
Kampf um Research
Ein wichtiges Anliegen ist das Bemühen um Coverage. „Wie alle Small Caps kämpfen wir um neues Research", sagt Kellert. Was schwierig ist, weil viele Banken ihr Aktienresearch eingedampft haben. Auf der Homepage führt SGL sieben Adressen, die regelmäßig Kommentare und Bewertungen veröffentlichen. Für große internationale Häuser ist SGL mit rund einer halben Milliarde Euro Börsenkapitalisierung aber zu klein. Zumal sich die Hälfte des Börsenwerts in Festbesitz der Großaktionäre Skion (Beteiligungsgesellschaft von Susanne Klatten, 27,5%), BMW (18,4%) und Volkswagen (7,4%) befindet.
Auf Kapitalmarktkonferenzen und mit Roadshows sei SGL nach wie vor präsent, versichert Kellert. Viele Termine kämen auf Eigeninitiative zustande. „Der persönliche Austausch ist immer noch wichtig“, ist sie überzeugt. Auch zu Privataktionären hat die IR-Managerin häufig Kontakt. Viele Kleinanleger seien dem Unternehmen verbunden, weil Familienmitglieder in einem SGL-Betrieb arbeiten oder gearbeitet haben.
Engagement im DIRK
Neben Investor Relations leitet Kellert die Kommunikation und Corporate Sustainability. Zum Team gehören sieben Mitarbeiter: je zwei für IR und Nachhaltigkeit und drei für PR. Um Debt-Investoren – SGL hat zwei Wandelanleihen am Markt – kümmert sich die Treasury-Abteilung, mit der Kellert in engem Austausch steht. Aufgrund der drei Verantwortungsbereiche hat die gelernte Bankkauffrau mit Start des neuen Vorstands am 1. Januar 2025 gleich drei Chefs: „Das kann manchmal schon eine Herausforderung werden.“
Ambitionen, wie mancher IR-Kollege zum Finanzvorstand aufzusteigen, liegen ihr fern: „IR-Manager bleibt man sein Leben lang. Das ist eine Berufung.“ Ihre Verbundenheit mit dem Beruf zeigt sich auch im Engagement für den Deutschen Investor Relations Verband (DIRK): Bereits seit 2008 gehört sie dem DIRK-Vorstand an.
Der Charme des Mittelstands
Die ersten Jahre ihres Berufslebens verbrachte die Betriebswirtin in der Wirtschaftsprüfung von KPMG und in der Bayerischen Landesbank. Im September 2001 wechselte sie ins Kommunikationsmetier als Leiterin IR und Unternehmensentwicklung des Kondomherstellers Condomi. Über die Immobilienunternehmen Patrizia, wo sie den Börsengang begleitete, und Colonia Real Estate kam sie zum Bekleidungshersteller Gerry Weber, der letztlich in die Insolvenz schlitterte. Nach drei Jahren beim Dämm- und Baustoffhersteller Xella, dessen IPO-Pläne damals ins Wasser fielen, führte der Weg nach Wiesbaden zu SGL. Auffällig ist: All diese Arbeitgeber (außer KPMG und Landesbank) sind mittelständisch geprägt: „In einem kleineren börsennotierten Unternehmen ist man näher dran. Das Aufgabenspektrum ist viel breiter", sagt Kellert. „Im Großkonzern sieht man immer nur einen kleinen Teil.“