Für Massatschi haben Krisenzeiten auch ihr Gutes
Für Massatschi haben Krisenzeiten auch ihr Gutes
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Es gibt zweifelsohne Branchen, in denen Investor Relations (IR) weniger Herausforderungen mit sich bringt als Immobilien. Denn größere Teile des Sektors stecken nach wie vor in einer veritablen Krise. „Sicher gibt es leichtere Zeiten, den IR-Job auszuüben“, räumt Oschrie Massatschi ein, Chief Capital Markets Officer von Aroundtown. Doch für ihn hat das auch gute Seiten: „Solche Krisenphasen sind es, in denen Investoren die Qualität unserer IR-Kompetenz erleben“, sagt er. Aroundtown jedenfalls habe, im Gegensatz zu manch anderen Unternehmen, nie die Kommunikation zurückgefahren, sondern proaktiv das Gespräch mit Investoren und Ratingagenturen gesucht.
Ein weiterer Punkt ist der Lerneffekt: „Man lernt viel mehr dazu als in positiven Phasen", sagt Massatschi. „Damit können wir uns noch besser und resilienter auf neue Herausforderungen einstellen.“
„Nie für Stimmen geworben“
Loyalität und Vertrauen, das die Investoren gerade in den letzten Jahren gezeigt hätten, wertet der Manager als Erfolg seiner Arbeit. Dass er in einschlägigen Rankings für beste IR kaum auftaucht, stört ihn nicht: „Ich habe nie für Wählerstimmen geworben. Letztlich sehe ich IR als das Ergebnis einer starken und zuverlässigen Unternehmensstrategie. Somit bleibt es für mich ein Teamerfolg.“
Massatschi, der in Berlin lebt, verantwortet seit August 2020 die IR des im MDax vertretenen Konzerns. Kurz zuvor, im Februar 2020, markierte die Aktie mit 8,81 Euro ihr Allzeithoch und Aroundtown galt als Dax-Kandidat. Bereits zum Amtsantritt kämpfte der Konzern, der seinen rechtlichen Sitz in Luxemburg hat, mit ersten Rückschlägen, weil Investoren infolge der Corona-Pandemie Mietausfälle im Hotelsektor heraufziehen sahen.
Bondmarkt wieder geöffnet
Mit der abrupten Zinswende 2022 gerieten nicht nur die Aktien-, sondern auch die Bondkurse schwer unter Druck. Der Kapitalmarkt war für Immobilienfirmen praktisch verschlossen. „Die Sorge war groß, weil nicht abzuschätzen war, wie lange diese Negativ-Phase anhalten wird und ob Deutschland vielleicht sogar in eine tiefe Rezession schlittert“, räumt Massatschi rückblickend ein. Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Aroundtown hat in diesem Jahr wieder zwei Anleihen herausgebracht, die vielfach überzeichnet waren. Auch die Aktie hat sich erholt, weist aber noch immer einen schmerzhaft hohen Abschlag zum inneren Wert von zwei Drittel auf. Was deutlich macht, dass für Gewerbeimmobilienfirmen noch keine Normalität eingekehrt ist.
IR-Manager mit Vorstandsrang
Das Profil des 43-Jährigen, der in einer festen Partnerschaft lebt und eine zweijährige Tochter hat, ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen gehört er dem Vorstand an, eine Seltenheit für einen IR-Manager. Zum anderen ist er nicht allein für die weltweite IR mit Aktionären und Debt-Investoren verantwortlich, sondern auch für den Kontakt zu Ratingagenturen wie S&P und Moody’s. Er ist in die Emission oder den Rückkauf von Bonds und Hybridpapieren involviert und spricht mit Bankvorständen, die besicherte Darlehn vergeben haben. Und drittens bringt Massatschi reichlich operatives Knowhow mit. Vor dem Wechsel ins IR-Fach arbeitete er nämlich fünf Jahre als Chief Operating Officer für Aroundtown. Diese Erfahrung werde auf Investorenseite sehr geschätzt, betont er.
Die Bedeutung der Kapitalkosten
Die IR-Funktion im Vorstandsrang anzusiedeln, hält Massatschi für ausgesprochen sinnvoll. Denn Immobilienfirmen brauchten sehr viel Kapital. Folglich spielen die Finanzierungskosten eine große Rolle. „Die Finanzierungsstruktur ist ein integraler Teil der Rentabilität unseres Geschäftsmodells“, sagt Massatschi.
Neben Aktien, unbesicherten Bonds und besicherten Bankkrediten gehören für Aroundtown auch Anleihen ohne Fälligkeit, ein anderswo selten oder gar nicht genutztes Instrument, zum Repertoire. Die sogenannten Perpetuals sind ziemlich erklärungsbedürftig. Was sich schon daran zeigt, dass sie nach dem Bilanzstandard IFRS Eigenkapital und für die Branchenorganisation Epra Schulden sind. S&P liegt dazwischen, streicht die hälftige Anerkennung als Eigenkapital aber, falls Perpetuals nicht zum ersten optionalen Kündigungstermin zurückgezahlt werden.
„Richtiger Ort, richtiger Zeitpunkt“
In den Immobiliensektor kam Massatschi 2013, als er beim Wohnungskonzern Grand City Properties andockte, den Aroundtown seit Juli 2021 konsolidiert. Damals setzte der Sektor zu einem langen Aufschwung an. Er habe den Aufbruch in eine neue Ära gespürt, sagt der IR-Mann: „Es war der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, 2013 in Deutschland in die Immobilienbranche zu wechseln.“
Studiert hat Massatschi International Business in Manchester und Sydney. Tiefes Finanz-Know-how holte er sich unter anderem beim Reisekonzern TUI. 2007 ging er nach Australien und arbeitete für den Strategieberater Edgar, Dunn & Company und dann für die Macquarie Bank. Zurück in Europa folgte auf die Station bei Grand City der Aufstieg zum Chief Operating Officer von Aroundtown im Mai 2015.
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